«Hauptsache, am Schluss des Abends sind alle zufrieden!»

Franzisca «d’Franz» Rüedi ist eine der ersten Veranstaltungstechnikerinnen Luzerns. In ihrem Job hat sie unzähligen Menschen zu einem grossartigen Sound auf der Bühne und einer ebensolchen Stimmung im Publikum verholfen. 

Bild: Mo Henzmann

«Ganz ehrlich, ich war sicher fünf Mal kurz davor, das Gespräch abzusagen – ich stehe überhaupt nicht gerne im Mittelpunkt», begrüsst Franzisca «d’Franz» Rüedi gleich zu Beginn des Gesprächs. Ganz die Veranstaltungstechnikerin, hat sie automatisch den Platz mit der gefühlt einzigen Steckdose im Restaurant ausgewählt, damit der hier Schreibende sich keine Sorge um Strom für sein Gerät machen muss. Und noch bevor der Computer aufgeklappt oder die erste Frage gestellt ist, sprudelt die Luzernerin schon los. Der Satz «Das ist noch mal eine andere Geschichte» wird zum ständig auftauchenden Begleiter eines hochspannenden Gesprächs mit einer der ersten Veranstaltungstechnikerinnen Luzerns. 

Geboren 1974 in Luzern, wuchs «d’Franz» zwischen Kulturzentrum Sedel und Reussbühl auf. Nach der Ausbildung zur Schreinerin und mehreren Zwischenstationen – unter anderem in einem Kibbuz, im Theater Bern und in einer Bäckerei – lebte die Luzernerin fünf Tage die Woche vom Schreinern und Zimmern und arbeitete am Wochenende im Musikzentrum Sedel hinter der Bar. Zusätzlich wirkte sie dort an der legendären Jahreshitparade als Bühnentechnikerin und wurde in dieser Funktion von Alan Benz angesprochen, dem Techniker des Konzerthauses Schüür: «Er ging auf Weltreise und fragte, ob ich nicht in der Schüür arbeiten wolle», schildert Rüedi die Begegnung: «Was hatte ich zu verlieren? Wenn’s nicht geklappt hätte, hätte ich auch wieder gehen können.»

Von der Schüür auf Europatournee

Im Herbst 2003 startete sie denn knapp 30-jährig im bekannten Luzerner Konzerthaus. Zwei Momente bezeichnet sie dabei als zentral. Einerseits war das ein Konzert von Christian Kjellvander, das sie unerwartet mischen musste: «Der hatte Instrumente wie Banjo und Sitar dabei; ich wusste nicht mal, wie die mikrofoniert werden! Zusammen haben wir das Boot aber mehr als ordentlich geschaukelt.» Anderseits verantwortete sie den Bühnen-Mix von Kyuss Lives! (heute Vista Chino), einem Nachfolgeprojekt von Kyuss, der wichtigsten Stoner-Rock-Formation der Musikgeschichte, die zugleich zu Rüedis Lieblingsbands gehört. Die amerikanisch-holländische Truppe war derart beeindruckt von ihrer Arbeit, dass sie die Luzernerin direkt von der Schüür aus auf Europatournee mitnahm. Ein ausschlaggebender Punkt nebst dem technischen Können für das Engagement: «Ich sah Bandmitglieder stets als Menschen, nie als Stars, habe mich nicht aufgedrängt und bin stets ehrlich geblieben.»

«Durch das Einschüchtern anderer wurde ich unnahbar.»

Für ihre stellenweise grobe, zickige Art war Rüedi in diesem Kontext berühmt-berüchtigt. Dabei machte sie keinen Unterschied zwischen Weltstar und Lokalsternchen. «Ich habe auch schon Till Lindemann von Rammstein oder Dave Wyndorf, den Monster-Magnet-Frontmann, angefahren, wobei letzterer sich deshalb bis heute noch an mich als Coffee-Girl erinnert», führt sie aus. Franz im falschen Moment zu erwischen, konnte dabei sogar zu einer physischen Angelegenheit werden: «Kurz vor Show musste niemand zu mir ans Pult kommen. Das hätte ein blaues Auge gegeben.»

Einschüchtern als Mittel gegen Nervosität

Im Nachhinein ist sie nicht stolz auf dieses Verhalten. «Ich behaupte, dass ich mich zum Eigenschutz so verhalten habe. Vor jeder Show war ich furchtbar nervös und mir fehlte das Selbstvertrauen», sagt sie und fährt fort: «Seit Kindheit bin ich depressiv veranlagt, hatte immer Zweifel. Durch das Einschüchtern anderer wurde ich unnahbar. Dabei war ich eigentlich einfach nur froh, wenn am Schluss des Abends alle zufrieden waren.» Festzuhalten gilt: Rüedi konnte ebenso austeilen wie einstecken, ohne dass der Job darunter litt. Knapp 15 Jahre Schüür, langjährige Engagements bei wichtigen Anlässen wie dem Blue Balls Festival oder Funk am See und viele Tourneen mit Projekten aller Art sprechen für ihre Qualität.

«Auch mit 46 bin ich noch lange nicht fertig mit Lernen – und das, obwohl ich doch zugleich ein Kindskopf geblieben bin.»

Trotzdem kam für sie der Moment, sich neu zu orientieren: «Der Job machte mir Spass, aber nach dieser langen Zeit hatte ich irgendwann nicht mehr die Nerven. Ausserdem wollte ich einer jüngeren Person Platz machen.» Nach Zwischenstationen bei Auviso und dem KKL arbeitet die Luzernerin inzwischen Teilzeit für die junge Amuel AG, die im Bereich Audiovisuelle Montage- und Eventtechnik tätig ist. Dort hat sie neben handwerklichen Tätigkeiten neu auch Büroarbeiten übernommen. Ihre Erfahrung, ihre Neugier und viele Weisheiten, die in ihrer Menge diesen Artikel sprengen würden, begleiten sie dabei weiter. Und machen klar: Die Geschichten gehen Franzisca Rüedi nie aus. Oder wie sie selbst sagt: «Auch mit 46 bin ich noch lange nicht fertig mit Lernen – und das, obwohl ich doch zugleich ein Kindskopf geblieben bin.»

Hier gibt’s Diversität!

Die Vernetzungsplattform Helvetiarockt sorgt ab Oktober dafür, dass künftig alle eine Frau finden – fürs Podium, eine Publikation oder ihren Event. In der Datenbank «Music Directory» können sich Frauen, inter-, trans- und non-binäre Menschen registrieren, die der Schweizer Musikbranche angehören. Willkommen sind Leute in verschiedensten Funktionen – ob sie nun singen, verkabeln oder über Musik berichten. Die Datenbank soll zudem die Sichtbarkeit erhöhen, Vorbilder zeigen und die Community stärken.