A Hard Rain’s A-Gonna Fall

Theater Pavillon Luzern, Donnerstag, 21.2.2013: Theater Nawal präsentiert seinen Zweitling «Das Ende des Regens» des australischen Autors Andrew Bovell. Ein intelligent gebautes, nicht unanspruchsvolles Stück, dessen Geschehen sich über mehrere Jahrzehnte, vier Generationen und zwei Kontinente hinweg erstreckt. Inszeniert hat wiederum Reto Ambauen.

(Bilder PD/Benno Lottenbach)

Die Szenerie ist gleichsam apokalyptisch. Sintflutartig kommt das Wasser vom Himmel, und es scheint nicht mehr aufzuhören. Es regnet ohne Unterlass, an verschiedenen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten. Die Schauplätze und Zeiten werden auf der Videoleinwand eingeblendet, die hier als Bühnenprospekt dient: Fensterblicke auf Skylines und Landschaften im Regen.

Alles fängt in der Zukunft an. Es ist am Anfang 2039, während das folgende Geschehen zurückreicht in der Zeit und durcheinander in der Chronologie. Kein toter Frosch, aber ein Fisch fällt gleich zu Beginn vom Himmel. Dabei gilt er als ausgestorben. Er landet, hier und immer wieder in anderen Zeiten, im Topf, wo eine Suppe köchelt, die von wechselndem Personal am grossen langen Tisch verspeist wird. Geschichten wiederholen sich, auch Sätze, wie derjenigen vom Fisch, der gut fürs Gedächtnis sei. Oder jener, man solle sich nicht beklagen, denn es schüttet zwar (in England und in Australien und auch sonst überall auf der Welt) – aber in Bangladesh ertrinken die Menschen. Ist aber nur so eine Redensart, die sich über all die Jahrzehnte hartnäckig hält. Es ist eine Familiengeschichte, welche das Zeiten umspannende Stück erzählt. Die Geschichte derer von Law und von York. Der Älteste (von hinten gerechnet der Urgrossvater) hat Jahrgang 1928, der Jüngste (Urenkel) ist 2011 geboren. Es ist eine Saga von verschwunden Vätern, verratener Liebe, vom Tod, vom Weiterleben, von Lebenslügen, von lange verborgenen Abgründen, von der Vereinsamung, von Vergebung. Von der Vergangenheit, die in der Zukunft weiterwirkt. Wie packt man soviel Zeit in einen einzigen Theaterabend? Mit Verdichtung und, besonderer Reiz dieser Inszenierung, durch den Einsatz quasi-filmischer Darstellungsmittel: Namentlich sind es Parallelmontagen und Überblendungen, die auf offener Bühne praktiziert werden. So entsteht eine Erzählung mit fliessenden Übergängen. Der Tisch ist immer da, und auch die Herdplatte mit dem Fischsuppen-Kochtopf am rechten Bühnenrand bleibt stets angeschaltet. Die Welt steht vor dem Aus, das Ende ist nah, Naturkatastrophe und dramatische familiäre Unbilden. Das weist hin auf keine leichte Kost, aber glücklicherweise nicht einfach Schwerverdauliches. Da hat es zum Glück immer wieder mal das Tragische etwas mildernde Humor. Und alles ist auch mit Musik verbunden: Christov Rolla spielt im Hintergrund auf Tasten und Saiten atmosphärische Klänge. Dass es im Stück ein einige Aufmerksamkeit forderndes Verwandtschaftsgeflecht über Generationen hinweg zu durchschauen gibt, dass einzelne Charaktere doppelt – in jüngeren und älteren Jahren – vorkommen, es soll nicht verwirren. Hilfreich ist dazu der Stammbaum, der im Programmheft konsultiert werden kann. Fazit: Anspruchsvolles und gescheites Theater mit Tiefgang, das in dieser Inszenierung mit hochstehendem Laienspiel auf attraktive Art bewältigt wird. It’s the end of the world as we know it (and I feel fine). Der australische Autor Andrew Bovell, dessen Stück «When The Rain Stops Falling» (2008) hier in ansprechendem Hochdeutsch gespielt wird, ist gut bekannt, auch wenn man es nicht unbedingt weiss. So ist er etwa der Drehbuchautor des Films «Lantana», der wiederum auf seinem eigenen Stück «Speaking In Tongues» (1996) basiert («Lantana» wurde übrigens 2004 vom Theater Aeternam im Vorgänger-Lokal Spielleute-Pavillon aufgeführt). Bovell hat auch an den Drehbüchern zu «Strictly Ballroom» (1992) und «Edge Of Darkness» (2010) mitgeschrieben. PS: Mit Regisseur Reto Ambauen, Musiker/Schauspieler Christov Rolla und Filmer Phil Küng sind an dieser Produktion gleich drei aktuelle «041 – Das Kulturmagazin»-Kulturköpfe beteiligt.

Theater Nawal: «Das Ende des Regens», von Andrew Bovell; Inszenierung: Reto Ambauen, Regieassistenz Fabienne Walter, Musik Christov Rolla, Ausstattung und Grafik Ruth Schürmann , Kostüme Werner Duss, Video Phil Küng, Bau Beni Egli und Eric Ambauen, Lichtdesign Martin Brun Spiel: Philipp Arnet, Jeremias Duss, Florian Fischer, Virginia Gisler, Andrea Kammermann, Christov Rolla, Zora Schelbert, Philip Schönholzer, Anna Stammler Aufführungen bis 8. März, Theater Pavillon Luzern