Hämatome malen in der Hoffnung auf Farbe

Südpol, 17.01.19: Regisseur Alexander Giesche zeigt sein neues Projekt in Luzern. Zusammen mit Studenten des Berner Masterstudiengangs Expanded Theater und Dramaturgin Regula Schröter erschafft er ein «Visual Poem». Das interdisziplinäre Theaterstück «The Colours of Hope» überzeugt mit Aussagekraft und Ästhetik. Die langen Bühnenbilder schaffen Interpretationsräume – teilweise wirkt das Stilmittel aber überstrapaziert.

Titelbild: Ben Zurbriggen

Visuelle Poesie auf der Bühne. Es sind Bilderbögen, bestehend aus Musik, Kostüm, Schauspiel, Farbe, Dialogen und eingeblendeten Wortzeilen. Gedicht und Bild in Kombination schafft Raum für eigene Interpretation. Und der ist gross, denn die einzelnen Szenen sind lang und die Aktionen verhältnismässig bedingt.

In Industrieländern aufzuwachsen heisst in Utopie zu leben. Wir schliessen die Augen, wenn uns Dinge nicht betreffen und sehen nur, was wir sehen wollen. Ein kleine Blubberblase, erschaffen von uns selbst. Durch die Digitale Welt entfremden wir uns und verlieren den Bezug zur Realität. Was ist wahr, was ist gelogen? Fake News oder Facts? Blaue Flecken müssen wir uns aufschminken, um möglichst authentisch zu wirken, um zu behaupten, wir hätten etwas riskiert. Dabei wären genau Hämatome ein Zeichen von Hoffnung, denn sie heilen. Sie bedeuten Fortschritt, denn aus Fehlern lernt man. Ausserhalb unserer Blase ergraut unsere Welt.

Hämatome auf Körper und Boden

Hämatome auf Körper und Boden (Bild: Null41)

Zu Beginn des Stücks rennen sechs Darstellerinnen um einen kleinen ferngesteuerten Ball, im Hintergrund akustische Gitarrenmusik. Als nächstes wird ein farbiger Teppich ausgerollt, mit roten, blauen, violetten, und grünen Flecken. Die Schauspieler befinden sich über das Stück hindurch in diesem Spielzimmer, erhalten über eine Sprechanlage Anweisungen zu neuen Spielen, essen zusammen und sprechen über belanglose Dinge. Man spricht spöttisch über- und miteinander. Die erschaffenen Bühnenbilder wirken beruhigend und harmonisch. Plötzlich wird die Musik schneller, das Licht greller und die Spielenden sind in Ekstase. Eine Flucht in die Welt der Drogen? Sobald die Euphorie vorbei ist, wird nach neuer Unterhaltung gesucht.

Colours Of Hope: Karaoke und Tanzeinlage: «Wie man die Welt um sich ignoriert»

Abbildung 2: Karaoke und Tanzeinlage: «Wie man die Welt um sich ignoriert.» (Bild: Ben Zurbriggen)

Ein Mädchen versucht sich als Influencerin und demonstriert ihren Zuschauern, wie man sich selbst ein überzeugendes blaues Auge verpasst. Dazu bitte die Stelle zuerst mit Eis betäuben und dann zum Hammer greifen. Als nächstes ein Wettbewerb! Wer kann am schnellsten ein Regal zusammenbauen?

Hier wird die Länge des Bühnenbilds dann doch etwas überstrapaziert. Um die gut fünfzehn Minuten zu überbrücken, wird den Zuschauern immerhin Bier offeriert. Dann, endlich!, hat eine Darstellerin das Regal fertiggestellt. Es geht weiter, die Stimmung wird düster, ein bisschen bedrohlich. Ein Junge wird von grellen Stehlampen umkreist. «Es ist genug!», schreit er immer wieder. Mal positiv, mal negativ konnotiert. Eigentlich haben wir genug für alle, aber er hat einfach genug von Allem.

Die Zuschauer werden humorvoll in die heile Welt der Darstellerinnen eingeführt. Pragmatisch leben sie in den Tag hinein. Die Szenen wirken tatsächlich wie Bilder und die Schauspieler überzeugen. Mit Authentizität, immer schön souverän, immer zufrieden, immer perfekt. Bis zum Schluss. Dann schminken sich alle den blauen Fleck.

Weitere Vorstellungen: FR 18., SA 19. Januar, jeweils 20 Uhr, Südpol Kriens

Spiel: Tabea Buser, Ben Gageik, Lisanne Hirzel, Viktor Lamert, Antonio Ramón Luque, Sabrina Tannen

Inszenierung, Konzept & Ausstattung: Alexander Giesche; Künstlerische Mitarbeit & Produktionsleitung: Felix Lübkemann; Dramaturgie & Konzept: Regula Schröter; Sounddesign: Georg Conrad; Kostüm: Regula Hug; Technische Leitung: Lorenz Gurtner; Musikalische Einstudierung: Alexandra Schmid

Ein Projekt im Rahmen des Masterstudiengangs Expanded Theater der Hochschule der Künste Bern in Koproduktion mit dem Südpol Luzern.