Haarige Angelegenheit

Galerie Apropos, 26.04.2018: Vor der kommenden Vernissage sprach null41.ch mit der Luzerner Künstlerin Monika Feucht über ihre kommende Ausstellung und ihre neue Publikation «Es schaut mich an». Eine Geschichte über die Dualität von Betrachten und Betrachtet werden.

Fotos: Gianna Rovere / Museé d'Orsay / Brooklyn Museum New York

Monika Feucht hat in den Strichen ihrer Bleistiftzeichnungen schon immer etwas Haariges oder Drahtiges gesehen. Den Anstoss, mit diesem nicht ganz konformen Material zu arbeiten, gab der Künstlerin ihr abgeschnittener Mädchenzopf. Es entstanden Objekte, Hybride aus in Paraffin getränkten Haaren und genähtem Schaumstoff. Deren Assoziation an Vaginen aus Kaugummi wird durch den Titel «Di mare» in eine maritime Richtung geleitet. Die Haare, die sie in ihren Arbeiten verwendet, sind aber nicht die eigenen, sondern werden von Kund*innen eines Coiffeursalons in Luzern und durch persönliche Spenden freiwillig zur Verfügung gestellt. Die Kunstschaffende bedient sich auch an Kuriositäten, die ihr im Alltag begegnen. So schnitt sie Bilder von Beinen auf Strumpfhosenverpackungen aus, um sie collagenhaft als Vorlage für die Arbeit «Kopffüssler» zu verwenden. Die daraus resultierenden Werke scheinen auf einem neonfarbenen Schimmer zu schweben und bekommen einen dreidimensionalen Charakter. Klein, flauschig anmutend und durch die verrenkten Gliedmassen abstossend zugleich. Sie stehen in ihrer Materialität in Beziehung zur grossformatigen Zeichnung «DNA-DREA» aus Feuchts Hinterkopf-Reihe «DNA». Durch das Sprengen des kleinen Formats zieht sie durch ihre skulpturale Monumentalität die Aufmerksamkeit der Betrachter*innen auf sich. Das Werk verändert sich, je nach Distanz, die man dazu einnimmt. Geht man ganz nah ran, erkennt man an Felsen erinnernde Texturen. Diese Zeichnungen entstehen jeweils über eine längere Zeit hinweg und haben einen stark meditativen Charakter für die Künstlerin.

Kopffüssler

Im Prozess der Werke und zur Titelfindung ist ihr eigenes Kopfkino ausschlaggebend und fungiert als treibende Kraft – dadurch entstehen stark narrativ geprägte Werke. Diesen ungezwungenen Umgang mit verschiedenen Materialien und Techniken kann man auch beim Werk «déjeuner – mein täglich Brot» beobachten, welches der aktuellen Ausstellung ihren Namen verliehen hat. Der kleine Projektraum – der vom Performance-Paar Monika Günther und Ruedi Schill seit 1971 geführt wird – ist fast vollständig von einem niedrigen Tisch ausgefüllt, auf dem eine grosse, grundierte Leinwand ausgebreitet ist.

Picknick

Sie ist mit einem Karomuster aus Haaren bestickt und dient als als Picknickdecke. Darauf liegen Pappteller, die mit verschiedenen Vornamen von Frauen bestickt sind. Eine haarige Angelegenheit, denn die Künstlerin benutzt dabei gezwirbeltes Haar als Garn. Sie wurde von Heinz Stahlhut (Sammlungskonservator des Kunstmuseums Luzern) gefragt, ob sie denn das Vorurteil der «Frauenkunst» brechen möchte. «Natürlich möchte ich dieses Vorurteil brechen. Für mich passiert das klar durch die Verwendung von Haaren, welche in ihrer Stofflichkeit der Stickerei fremd sind», so Monika Feucht.

Die Künstlerin Monika Feucht
Die Künstlerin Monika Feucht

Die Teller tragen aber nicht etwa die Namen der Haarspender*innen, sondern Vornamen berühmter Künstlerinnen, mit denen Feucht gerne in einen Austausch treten würde. Darunter zum Beispiel verstorbene Grössen wie Louise Bourgeois oder Meret Oppenheim, aber auch die Luzerner Künstlerin Monika Müller. Die Pappteller lassen mit dem Titel zusammen an ein Picknick am See denken. Monika Feucht erklärt: «‹Déjeuner› ist angelehnt an Manets Titel ‹Déjeuner sur l’herbe›». Édouard Manet war ein Vorreiter des französischen Impressionismus und hatte mit diesem Gemälde 1863 einen kleinen Skandal ausgelöst: Das Motiv der nackten Frau in Gesellschaft zweier bekleideter Männer war dem Pariser Salon von König Ludwig dem XIV zu unanständig. Für die Kunstgeschichte ist Manet jedoch ein Wegbereiter der Moderne. Mit «mein täglich Brot» geht es um die künstlerische Arbeit, welche im Alltag der Künstlerin durch das Tun, Sehen und Denken präsent ist und sich in dieser Installation buchstäblich auf dem Teller manifestiert.

Manet
Manets «Déjeuner sur l'herbe» via: www.musee-orsay.fr Das Bild kann im Musée d’Orsay in Paris besichtigt werden.

Sticken und Feminismus?

In der utopischen Vorstellung der Künstlerin bekommt sie Besuch von diesen bewunderten Künstlerinnen. Sie kommen und gehen und hinterlassen dabei Spuren in Form von Linien – gestickt mit der DNA, der Identität einer anderen Person. Dabei gehen meiner Meinung nach der feministische Aspekt des Kunsthandwerks und der Link zum ikonischen Werk «The Dinner Party» der amerikanischen Künstlerin Judy Chicago verloren. Textile Arbeiten in der bildenden Kunst sind bis heute weitgehend weiblich besetzt und leiden unter Vorurteilen. Es gibt Künstlerinnen, die sich als feministisch verstehen und auf weiblich assoziierte Techniken zurückgreifen, um anders aufgeladene Botschaften zu übermitteln. Eine davon ist Chicago, die von 1974 bis 1976 mit einer grossräumigen Tischsituation versucht hat, die Geschichte der Frauen in der westlichen Zivilisation symbolhaft darzustellen. In dieser Installation feiert sie die Textilkunst als ein traditionelles, weibliches Kunstschaffen, wie Sticken oder Weben, welches als Kunsthandwerk nicht gross geschätzt wurde. Chicago wollte, dass «The Dinner Party» die Würdigung als autonomes Kunstwerk mit einer Aussage erfährt. Das Werk wurde und wird heute diskutiert.

Solch grosse Namen sollten mit Vorsicht herbeigezogen werden, da der Anspruch an eine Revolution und angesichts der Aktualität des Themas Feminismus sehr hoch ist. Ich als Kunststudentin würde mir etwas mehr Mut wünschen. Die Ästhetik und Kombination der Materialien auf narrativer Ebene ist bestechend, aber etwas mehr Klarheit in der (feministischen) Botschaft würde nicht schaden.

Dinnerparty
Judy Chicago, «The Dinner Party» (1974-79), Brooklyn Museum, New York
Dinnerparty
Detail Tischgedeck «Fertile Goddess», Brooklyn Museum, New York

An der Vernissage am kommenden Samstag, 28. April 2018 in der Galerie Apropos wird neben der Ausstellung auch die neue Publikation «Es sieht mich an» präsentiert. Die Luzerner Grafikerinnen Loana Boppart und Melanie Schaper vom Studio Lametta haben innert kürzester Zeit ein wunderbares Buch gestaltet, das durch stilvolle Schlichtheit punktet und einen umfassenden Überblick über Monika Feuchts Schaffen vermittelt. Mit einem Ateliergespräch zwischen der Künstlerin und Heinz Stahlhut und durch einen Text von Medea Hoch ergänzt, beinhaltet die Publikation nebst anregenden Fotografien der Arbeiten eine aufschlussreiche Lektüre.

 

Die Publikation «Es schaut mich an» kann für 40 CHF über die folgende E-Mail-Adresse bestellt werden: monika.feucht@gmx.ch

www.monikafeucht.ch

Galerie Apropos, 28. April 2018 bis 19. Mai 2018

Vernissage: Samstag 28. April 2018, 16 Uhr

Öffnungszeiten: DO 17-20 Uhr, FR/SA 15-18 Uhr, DO 10. Mai geschlossen