Gibt’s nicht – gibt’s nicht!

Kleintheater Luzern, 26.11.2015: Hazel Brugger passiert. Brugger ist der neue Hype. Sie passiert auf Poetry-Slam-Bühnen, in Kolumnen, in ihrer eigenen Show am Theater Neumarkt und im Radio. Nun passierte ihr erstes Solo Programm – Premiere im Kleintheater Luzern.

Hazel Brugger. Man könnte jetzt sagen, sie ist noch jung, sie ist so jung, sie ist Frischfleisch, vorpubertär oder: Das alles ist erst der Anfang. Aber ihr Alter als Statement zu verwenden macht bei dieser Frau wenig Sinn. Sie ist vordergründig weder jung noch frech, sie ist eine Künstlerin mit Programm. Ihr eigener Abend startete fulminant, im bis auf den letzten Platz ausverkauften Kleintheater. Das Publikum stürmt hinein, jung und alt, aus allen Szenen. Das Haus platzt aus allen Nähten und Hazel Brugger platzt vor Unverschämtheit (Gesprochen Haisel – imfall. Nicht Hasel. Oder Hatzel. Oder so). In meinem Kopf, in meinen Gedanken, da gibt es Grenzen, Hürden, Tabuzonen und geheime Wege. Die liebe Brugger rennt drüber hinweg, trampelt nieder, deckt auf und hat ihre eigenen Grenzen entweder niedergerissen oder nie gekannt. Anyway – das ist lustig. Ich lachte seit langem wieder über Sachen, von denen ich dachte, ich hätte sie seit Ewigkeiten hinter mir gelassen. Ich lachte über Geschichten, die ich mir nicht auszudenken getraut hätte. Ich schmunzelte über das Publikum, das sich aufführte wie eine ausser Rand und Band geratene Sekundarklasse Niveau C/D welche eine Anal-yse machen müssen. So geht es auch ziemlich viel über Brüste, Schnäbis, Kinder und nackt rasierte Katzen. Trotzdem hält sich mich bei der Stange (Höhö). Was verwunderlich ist, da Hazel Brugger oft abschweift, wenig roten Faden erkennen lässt und sich manchmal zu verlieren droht. Aber sie kratzt die Kurve. Genau diese Spontanität und Schlagfertigkeit machen den Abend zu einem Genuss. Ganz Poetry Slam weiss man bei ihr nie recht, was geplant ist und was nicht. Ihr Hirn machte aber auch nicht unbedingt einen planbaren Eindruck. Was ihr dann auch ermöglichte, auf Zwischenklatscher und Fotoblitze einzugehen. Ich war froh, hatte nicht ich dazwischen geblitzt. Schlagfertig, schnell und gewieft machte sie die Regeln klar. Doch auch ich bekam, als angehende Lehrerin («Geh weg, du stinkst») und Pressevertreterin (Liebe Redaktion – sind wir wirklich ein links-progressives Blatt?) ganz schön mein Fett weg. Nur die IT-Männer mit kahlem Schädel und kümmerlichem Pferdeschwanz am Hinterkopf und das Zürcher Unterland waren schlimmer dran. Hazel Brugger kriegt es hin, dass Mütter über das lachen, was sie ihren Kindern sonst verbieten. Sie schafft es, die fünf- bis siebenminütige Grenze des Poetry-Slams (welche oft auch sehr viel Sinn macht) auf ein abendfüllendes Programm auszuweiten, das tatsächlich funktioniert. Auf sehr eigene Art und Weise, auf Hazel-Brugger-passiert-Weise eben. Mit mehrheitlich ernstem Gesicht hat sie uns neue Lachfalten beschert. Sie war mehr Slam als Poetin. Mehr Kalashnikov als Federspitzen-kitzlig. Sie ist Hazel Brugger und das passiert und das überrascht. Sie lässt ihrer abstrusen Fantasie freien Lauf und mäht hemmungslos nieder. Der Hype ist begründet. Wir wären alle gerne manchmal so. Auch wenn ein wenig Poesie nicht schaden würde.