Generation undurchsichtig

Das Luzerner Theater möchte die Fortschritte beim Neubauprojekt feiern, sieht sich aber mit dem Vorwurf der Mauschelei konfrontiert: Der Lebenspartner der künftigen Intendantin Ina Karr soll die Ausrichtung des Theaters nämlich massgeblich mitprägen. In der Kommunikation braucht es mehr Transparenz.

Dieser Artikel erscheint in der Januar-Ausgabe des 041 – Das Kulturmagazin.

Illustration: Mart Meyer

Das Luzerner Theater feiert: Arthur Waser lässt ihm eine Million zukommen, das Geld soll den Architekturwettbewerb für das neue Luzerner Theater finanzieren. «Ein wichtiger Tag», jubelt Stadtpräsident Beat Züsli anlässlich der Bekanntgabe. Basis für den Architekturwettbewerb und damit für den Neubau wird ein in nächster Zeit entwickeltes Betriebskonzept sein. Darin werden Nutzungsmodelle und Optionen für das neue Theater erarbeitet, inklusive Raumprogramm und Betriebsrechnung. Die Projektleitung zur Erarbeitung dieses Konzepts fällt einer erfahrenen externen Person zu: dem Juristen und Musikwissenschaftler Stefan Vogel, der das Luzerner Theater bereits in den vergangenen Jahren verschiedentlich beraten hat. Vogel ist derzeit als Operngeschäftsführer am Staatstheater Mainz tätig – und der Lebenspartner der designierten Intendantin Ina Karr, die zurzeit am gleichen Haus arbeitet.

Kritik am Auswahlprozedere

Das wirft Fragen auf. In erster Linie darum, weil das Theater die private Verbindung der beiden Fachpersonen, die die Zukunft des LT massgeblich prägen werden, nicht aktiv kommuniziert hat. Erst auf Nachfrage eines aufmerksamen Journalisten wurde die enge Beziehung bestätigt. Das Onlinemedium «Zentralplus» schrieb bereits am Tag der Bekanntgabe: «Unter vorgehaltener Hand war deshalb schon von einer Mauschelei die Rede.» Stiftungsratspräsidentin Birgit Aufterbeck Sieber deutete die Verbindung Vogels und Karrs jedoch anders: «Das war ein glücklicher Zufall.»

Fragen wirft der Ablauf der Ereignisse aber dennoch auf: Stefan Vogel wurde als Operngeschäftsführer des Theaters Mainz im Rahmen der Recherche für das neue Luzerner Theater interviewt. Ziel dieser Befragungen war es, Informationen für eben jenes Betriebskonzept zu gewinnen, das Vogel nun erstellen wird. Erst danach kontaktierte das LT Ina Karr, um sie für die Intendanz-Findungskommission zu gewinnen. Noch während Karr als Kommissionsmitglied waltete, wurde Stefan Vogel als Projektleiter ans LT geholt. In der Folge bewarb sich Ina Karr als Intendantin. Als klar wurde, dass sie in die engere Auswahl kommt, trat sie aus der Findungskommission aus. Prompt erhielt sie die Stelle.

«Als Arbeitgeber müssen wir auch dafür sorgen, dass Theaterkarrieren und Familienleben vereinbar sind.»

Birgit Aufterbeck Sieber

Diese Doppelrolle Karrs als Mitglied der Findungskommission und Bewerberin sorgte für Misstöne bei der Bekanntgabe der neuen Besetzung der Intendanz. Gegenüber «SRF – Regionaljournal» sagte die Mainzer Opernchefin, sie sei aktiv aus der Findungskommission heraus zur Bewerbung motiviert worden. Erst als sie verschiedentlich dazu aufgefordert worden sei, habe sie ihr Dossier eingereicht. Als klar wurde, dass sie in die engere Auswahl komme, habe sie das Gremium verlassen. Die «NZZ» fragte schon damals: «Inwiefern wurde hier mit gleich langen Spiessen gekämpft?», ging aber nicht weiter auf die Frage ein. Über die Verbindung zum bereits angeheuerten Stefan Vogel wurde zu jenem Zeitpunkt nichts kommuniziert.

Für die Aussenwirkung ist es zumindest unglücklich, dass Karrs Lebenspartner kurz vor ihrer Bewerbung eine Leitungsposition am Luzerner Theater erhielt. Durch ihre Beziehung mit Stefan Vogel – die beiden haben zwei Kinder – hatte Karr ein Interesse, am Projekt Luzern beteiligt zu sein, und da Stefan Vogel bei der Ernennung Ina Karrs bereits feststand, hatte das Luzerner Theater ein Interesse, Vogels private Situation bestmöglich zu berücksichtigen. Ob diese Interessen einen Einfluss auf den Entscheid punkto Intendanz hatten? Stiftungsratspräsidentin Aufterbeck Sieber widerspricht: «Der Ausschlag für eine Anstellung gaben und geben bei uns immer und ausschliesslich professionelle Gründe.» Und sagt gleichentags: «Als Arbeitgeber müssen wir auch dafür sorgen, dass Theaterkarrieren und Familienleben vereinbar sind.»

Mentaler Generationenwechsel

Letzteres ist zweifellos begrüssenswert. Unter dem Schlagwort dual-career couples (DCC), zu Deutsch Doppelkarrierepaare, wurden in den vergangenen Jahren in erster Linie an Universitäten (auch in der Schweiz) diverse Ansätze entwickelt und erprobt. Denn wer auf einem internationalen Arbeitsmarkt um hochqualifizierte, karriereorientierte Fachkräfte buhlt, muss berücksichtigen, dass diese immer öfter in Partnerschaften mit Menschen leben, die ebenfalls anspruchsvolle Stellen ausfüllen können und wollen. Dass eine international vernetzte Institution wie das Theater auf die familiäre Situation ihrer Angestellten Rücksicht nimmt und Lösungen sucht, ist lobenswert – das Luzern Theater legt offenbar weltgewandtes Verhandlungsgeschick an den Tag. Stiftungsratspräsidentin Aufterbeck Sieber betont zudem, dass Karr und Vogel bereits in Mainz und Oldenburg während 15 Jahren professionell zusammengearbeitet haben. Eine Konstellation, die das Luzerner Theater selber kennt: Mit Kathleen McNurney (Künstlerische Leitung Tanz) und Peter Klemm (Technischer Direktor) sind bereits zwei Leitungsstellen durch ein Paar besetzt.

Warum das Theater nicht aktiv und transparent kommuniziert, bleibt schleierhaft.

Doch die Kommunikation hinkt dem Zeitgeist hinterher. Sie entspringt einer Tradition der Verschlossenheit, der privaten Netzwerke, der Deals bei Premierenfeiern. Das beste Mittel, um Interessenkonflikte zu handhaben, ist, diese offenzulegen. Diese Chance hat das Theater verpasst. Es ist zu hoffen, dass sich die Führung des LT ein Beispiel nimmt an der Offenheit und Transparenz, welche auch das neue Theatergebäude laut Vision dereinst ausstrahlen soll. Denn warum das Theater nicht aktiv und transparent kommuniziert, bleibt schleierhaft. Dabei gibt es doch gar nichts zu verheimlichen – im Gegenteil: Wir dürfen uns freuen über ein Theater, dass Doppelkarrieren ermöglicht. Ganz so, wie das zeitgemäss arbeitende Betriebe, die international von Bedeutung sind, im 21. Jahrhundert eben machen.

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