«Für mich endeten die 60er an diesem Sommertag im Jahr 1978»

THE SIMPSONS - STAFFEL 23 - EPISODE 1 Couchgag: Die Simpsons-Familie rennt auf die Couch zu, doch da hat es sich bereits ein Mann mit nem Ständermikrofon gemütlich gemacht. Homer: «Was sitzt dieser Jerk da?» Der Herr: «Hennig, mein Name, Falko Hennig.» Lisa: «DER Falko Hennig, der bekannte deutsche Schriftsteller, Journalist und Bühnenkünstler (Wikipediawissen)?» Bart: «Ay Caramba! Der exaltierte Fundator der Charles-Bukowski-Gesellschaft?» Homer: «Mmmmh, Gesellschaft.» Lisa: «Der was?» Bart: «Lit(t)eratur. Davon verstehst du nichts.» Lisa: «Na warte du...» Sie stürzt sich auf Bart. Ein weiterer Akt sinnloser Fernsehbrutalität folgt. Auch Maggie, Marge und Homer beteiligen sich. Es entsteht ein undefinierbarer Knäuel aus Fäusten und Beinen, der von der Bildfläche rollt. Eine schwarze Katze leckt sich ihren Hintern auf der Bühne. Das Wort ist bei Hennig.

(Handybilder und -video: Jonas Wydler)

Ort: La Fourmi, Luzern. Zeit: Ab 21 Uhr. Wetter: Verschnupft...ähh...verschneit Stimmung: Irgendetwas zwischen Rausch und jenem Konstrukt, das ihr Realität nennt. Leute: Viel zu wenige für das Dargebotene! (Aber ihr habt's verpasst, nicht ich. Ätsch!) Flirtfaktor: War am Nachmittag grösser. Falko Hennig schaut sich gerne die Simpsons an. Vor vier Jahren fiel ihm auf, dass die gelben Figuren oft von merkwürdigen Zuständen, Halluzinationen, heimgesucht werden. So begann er sich Notizen zu machen, besorgte sich einen Videorekorder und nahm Folge für Folge, Staffel für Staffel auf. Analysierte diese mit deutscher Gründlichkeit, in Zeitlupe gar. Anschliessend zog er den befreundeten Kinderpsychologen Jakob Hein zu Rate. Gestern Abend präsentierte er seine Forschungsergebnisse in einem Filmvortrag im Fourmi. Mit «Rausch und Realität bei den Simpsons» heisst sein momentanes Programm. Hierbei zeigt er Ausschnitte einzelner Folgen, erläutert die Abstufungen des Wahns am Beispiel der Animationsserie. Gemäss Insiderkreisen stützt er sich dabei auf medizinische Fachkenntnis.

So beginnt Hennig also mit seinem Vortrag, nicht bevor er der anwesenden, arbeitenden Bevölkerung genussvoll unter die Nase gerieben hat, dass er seine Brötchen mit Simpsons gucken verdient, vor kurzer Zeit gar die Ehre hatte, das Buch eines amerikanischen Physikers zu übersetzen, dessen Untersuchungsgegenstand war, was man bei den Simpsons über – was wohl? – Physik, Roboter, Biologie und so Zeugs lernen kann. Er hat uns wirklich was zu erzählen der Mann. Ich hab mich in den gut zwei Stunden – mit zehnminütiger Bierpause – keine Sekunde gelangweilt. Das will was heissen, meine ich. Da es die Aufmerksamkeit des Lesers überstrapazieren würde, wenn ich auf jede Halluzination der Simpsons eingehen würde, die uns Falko Hennig erörterte, stelle ich exklusiv für euch eine Top 6 of the Trips – mit direktem Link zu den Episoden – zusammen. Enjoy! 1. Hypnagoge – Zugegeben: Wer von euch hat dieses Wort – das nebenbei gesagt nichts mit jüdischen Gotteshäusern zu tun hat – bereits einmal gehört? Ich jedenfalls nicht. Obwohl ich mindestens jeden Morgen eine erlebe. Eine Hypnagoge ist eine Halluzination im Halbschlaf, sobald man sie nicht mehr Traum nennen kann. In der allerersten Simpsonsfolge, die höchstens fünf Minuten dauerte und für die Tracey-Ullman-Show entworfen wurde, tritt eine solche Hypnagoge bei Maggie auf, als Marge ihr ein schauriges Gutenachtlied vorsingt. Dieser Kurzfilm beinhaltet nebenbei einer der genialsten Sätze des Homer J. Simpsons ever: «Das ist doch hirnrissig. Das spielt überhaupt keine Rolle. Und was überhaupt keine Rolle spielt, ist hirnrissig!» (Leider finde ich diese allererste Episode nirgends online. Wenn sie jemand findet, bitte Kommentar posten oder mailen....thx, guys!) 2. Bart gets hit by a car – Bekanntlich sind ja todesnahe Erfahrungen sehr stark abhängig von der Kultur des Sterbenden. Eine ebensolches Erlebnis in Japan ist was völlig anderes als in Europa oder Amerika. So erstaunt es uns nicht weiter, wenn der Teufel den nach einem Verkehrsunfall – ja Monty Burns fuhr ihn an – zur Hölle gefahrenen Bart mit einem «Please allow me to introduce» begrüsst, und die diabolische Totenwelt Hieronymus Boschs Gemälde «Garten der irdischen Lüste« gleicht wie ein Ei dem anderen. 3. Burns verkaufen der Kraftwerk – Nicht unbedingt einer der besten Trips, dafür ein handfester Skandal. Doch wie Falko Hennig richtig bemerkt hat, haben wir ja dank Ueli dem Chnächt bald die beste Armee der Welt und können zurückschlagen, gegen das verblödete Amerika! In dieser Folge geht es darum, dass Deutsche das Kernkraftwerk kaufen. Die Arbeiter werden zu Einzelgesprächen vorgeladen. So auch Homer Simpson. Und jetzt kommts: Als sich die neuen DEUTSCHEN Vorgesetzten sich als EINWOHNER DES HEIMATLANDES DER SCHOKOLADE bezeichnen, hat Homer einen ekstatischen Wachtraum. By the way ist er der einzige, dessen Name aufgerufen wird, als man die Liste der aufgrund interner Optimierungsprozessen Entlassenen verliest. Am Ende kommt natürlich alles gut, schaut selbst... 4. Last Exit Springfield – Schon der Titel ist eine Referenz an Hubert Selbys Drogen- und Hurenroman «Last Exit to Brooklyn». Doch dies bloss sekundär. Lisa ist beim Zahnarzt, der sie mit Lachgas betäubt. Soll ja anscheinend auch in Luzern ein neuer Trend sein in gewissen Kreisen. Auf jeden Fall scheint es, dass das Lachgas LSD war, denn die Bilder ähneln auf einmal alle dem Stil des Beatles-Films «Yellow Submarine». Besagte Band tritt ebenfalls alsbald auf. Die Musiker faseln etwas von «Lisa in the Sky without Diamonds» in Anspielung an ihren Sergeant-Pepper-Song «Lucy in the Sky with Diamonds». Das gelbe Unterseeboot kollidiert jedoch nach kurzer Zeit mit der bekifften Queen. 5. Weekend at Burnsie's – Dies ist eine sehr böse Folge. Sie durfte in den US of A nicht im Vorabendprogramm gesendet werden. Denn: In dieser Episode wird Marihuana geraucht, und zwar nicht illegal, sondern auf ärztliches Rezept. Der glückliche ist Homer. Und glücklich, das ist er. 6. El Viaje Misterioso de Nuestro Jomer – der unbestrittene Höhepunkt des Abends. Auch die einzige Sequenz, die in der Originalsprache gezeigt wird. Homer isst von südamerikanischen Irren angebaute Chilischoten, die ihn auf einen Peyotetrip schicken in dessen Verlauf er auf einen Coyote – gesprochen von Johnny Cash – trifft, der ihn Weisheit lehrt. Weshalb erinnert mich das Ganze bloss so sehr an Carlos Castaneda? [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=7NBC0gk4pG4[/youtube] So long dudes, see you @ weekend!

Dieser Anlass fand im Rahmen der Barfood Poetry Reihe statt. Der Nächste ist am 5. März 2009 zu geniessen