Für eine Poesie des Alltags

Kunstmuseum Luzern, 6.12.2019: Bei Fabian Peake steht der Nonsense mit dem Common Sense in Konflikt. Entgegen dem sogenannten gesunden Menschenverstand fordert seine Kunst uns auf, den kindlichen Blick auf das Alltägliche wie Absurde zu bewahren.

Noch bevor die erste Einzelausstellung in der Schweiz des englischen Künstlers Fabian Peake (*1942) eröffnet worden ist, fällt in den sozialen Medien das Urteil: «Das hat nichts mit Kunst zu tun!» Gegen solche Vorurteile des Denkens forderte bereits der Philosoph Wittgenstein: «Denk nicht, sondern schau!»

Denn das Denken hindert uns daran, das Gegebene, Gewöhnliche und Alltägliche zu sehen. Das, was gerade vor der eigenen Haustüre passiert. Der Ausstellungstitel «A Swift at the Corner» verweist auch auf das reale Reihenhaus an jener Strassenecke in London, in der Fabian Peake wohnt. So wirft er in der von Eveline Suter kuratierten Ausstellung einen kindlichen Blick auf das Gegebene und Ephemere.  

Parallele Welten

Es gäbe eine unvermeidliche Parallele, wie er ein Poem baue und der Art und Weise wie er ein Gemälde konstruiere, erläutert der Poet und Künstler Peake im einleitenden Interview seines Gedichtbandes «Loose Monk». Womit er die Tradition der «Künstler-Poeten» wie Hans Arp, Kurt Schwitters und Paul Klee weiterführt.

In Luzern zeigt sich dies exemplarisch in den zwei Wandgemälden «Dada Poem» (2016/2019) und «The Long Dawn» (2018/2019), die im Kunstmuseum selbst entstanden sind. Und es stellt dar, wo sich konkrete Poesie und konkrete Kunst begegnen.

Peake im Kunstmuseum

In grosse Ellipsen-Formen schreibt Peake in Spiegelschrift und mehreren Ebenen sowie Farben eigene Gedichte ein. Betrachtet man diese «Murals» nun vom anderen Ende des Raumes, ergibt sich ein pointillistischer Effekt. Es ist, als blicke man durch zwei Gucklöcher in der Wand in eine andere Dimension, wo sich Wolken wundersamer Wörter auftun. So als könnte man wie Alice durch den Spiegel in das Utopia «Erewhon» treten. Poesie and Gemälde schneiden sich im Unendlichen, diesem Nicht-Ort der Unbestimmtheit.

Differenz und Vielfalt

Wenn man etwas kritisieren könnte, dann dass der Raum etwas überfüllt wirkt, da sich ein Werk beinahe nahtlos an das andere reiht. Doch «the exhibition is about differences», erklärt Peake.

Peake im Kunstmuseum

Das Differente schliesst an das Differente. Nicht nur einzelne Werke, sondern auch Medien, Materialien und Motive. Durch Aneinanderreihung und Wiederholung ermöglicht er so eine Offenheit für die Mannigfaltigkeit. Das Bauprinzip seiner Malereien, Plastiken wie auch der Gedichte ist denn auch die Collage. Seine Gemälde erinnern deshalb oft an den Surrealismus, etwa eines Magritte, oder an den Dadaismus, Oulipo oder Lettrismus, verbunden mit Pop-Art.

Flachheit und Fehler

Einen weiteren Mangel, den man bemerken könnte, wäre, dass die Werke keine Tiefe aufweisen und keine Kritik formulieren würden. Doch ist gerade dies Peakes Bekenntnis. Seine Maxime lautet: «Playing with the physicality of flatness.» Und eröffnet so eine gewisse Tiefe, wie man sie bei seinen Textil- und Relief-Werken sehen kann. Aber auch im Gemälde «Street Shadows» (2012 bis 2013).

Peake im Kunstmuseum

Als implizite Kritik kann gerade sein positiver Umgang mit Fehlern und Scheitern betrachtet werden, wie die gebrochenen Planken des «Holed Boat» (2019) offen zeigen. «Make use of mistakes», fordert Peake, und: «Make the problem the solution.»

Swift like (a) Swift

Es ist nicht «the white rabbit» mit der Uhr, dem wir in die Tiefe durch «the rabbit hole» folgen, sondern «the swift», dem Mauersegler am Himmel, der in manchen Gegenden Englands den Ruf als unheimlicher «devil bird» hat. Der von oben herab blickt und für den all unsere Eingrenzungen und Einkerbungen eingeebnet werden. Eine Perspektive, die wir nur noch «swift», also flüchtig einnehmen können. Und deren Einnahme wir meist für einen Fehler halten. Der Satiriker Jonathan Swift sagte mal: «There are few, very few, that will own themselves in a mistake, though all the World sees them to be in downright nonsense».

Fabian Peake – A Swift at the Corner
Bis SO 9. Februar
Kunstmuseum Luzern