Feminismus, Popkultur und Popcorn

Parterre, Luzern, 21.04.2018: Anlässlich des Einjährigen des Online-Magazins Fempop haben die drei Gründerinnen zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Das Thema des Abends: «Ideologie & Alltag – wie lebe ich meinen Feminismus?» Anschliessend wurde der Abend mit einem Konzert des Zürcher Duos Eclecta abgerundet.

An diesem sommerlichen Samstagabend traf mensch sich im Saal des Parterre, trotz Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen draussen. Wo sonst Bier getrunken, Billard gespielt und gekickert wird, erwartete die Zuhörer*innen ein Popcorn-Säckli mit einer pinken Etikette und der Aufschrift Fempop auf jedem Stuhl. Das passte, denn schliesslich gründeten Cécile Moser, Serena Schindler und Rahel Fenini das Onlinemagazin vor einem Jahr. Ihr Grundsatz: «Mit Girlpower, Spass und Glitzer zuversichtlich in eine gleichgestellte Zukunft.» Feminismus, der sich auch im Mainstream niederschlägt und auf eine lockere Art möglichst vielen Menschen zugänglich sein soll. So waren denn auch im Publikum Aktivist*innen, Neugierige, Lesben, Schwule, Heteros, Mütter, ein Baby, ein Hund, und noch viele weitere Menschen mit verschiedensten Eigenschaften anzutreffen.

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Die Podiumsgäste wurden bewusst in einem Meinungsspektrum von Popfeminismus (rechts) zu Feminismus in alternativen Kreisen (links) angeordnet. Beginnend «rechts aussen», debattierte Kerstin Hasse, Onlinereporterin der Zeitschrift Annabelle. Ihrer Meinung nach ist Popkultur dem Feminismus dienlich, um möglichst viele Leute zu erreichen. Einen Platz daneben sass Jana Avanzini, Journalistin bei Zentralplus und Mutter. Feminismus bedeutet für sie, dass man mit Worten kämpfen und die eigene Stimme erheben soll, wenn einem etwas nicht passt. In der Mitte: Cécile Moser, die Moderatorin des Abends. Auf der linken Seite befand sich Patrizia Bieri, professionelle Tänzerin aus Luzern und inzwischen wohnhaft in Berlin. Ihr grösstes Anliegen ist es, dass die Menschen von einem Schubladendenken wegkommen. Denn niemand soll sich mit gewissen Stereotypen identifizieren müssen, um akzeptiert zu werden.

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Zu ihrer Linken debattierte Irina Studhalter, Grosstadträtin der Jungen Grünen. Sie hat mit Jolanda Spiess-Hegglin den Verein Netzcourage gegründet, dessen Ziel es ist, Beleidigungen und Belästigungen im Netz sichtbar zu machen und einen Austausch entstehen zu lassen. Links aussen: Blertë Berisha, Mitbegründerin des feministischen Treffens Fight Club Luzern (abgekürzt mit FCL*). Sie vertritt die Ansicht, dass Feminismus auch Kapitalismuskritik bedeutet. Das Fempop-Trio verortet sich selbst in der Mitte, einem Zwischending aus Mainstream und dessen nicht kommerziellen Gegenwelt.

Zwischen Stuhl, Tisch und Fussboden

Zu Beginn herrschte reger Publikumsverkehr. Interessierte kamen, weniger Interessierte bevorzugten hingegen lieber die Bar. Die Stühle für Zuschauer*innen reichten jedoch nicht aus, um allen einen Sitzplatz zu gewähren, und so sassen die Leute hinten im Saal auch auf den Tischen – zu spät Gekommene mussten gar mit dem Fussboden vorliebnehmen. Anfangs war die Interaktion unter den Teilnehmerinnen eher gering. Sie hörten einander zu, beantworteten nacheinander die von Moser gestellten Fragen und setzten ihre Statements darin umso klarer. So griff Hasse einleitend auf wichtige Forderungen zurück, die in jeder feministischen Debatte genannt werden: das Erreichen möglichst vieler Menschen, Gleichstellung aller Geschlechter, das Aufheben der Lohnungleichheit, den Zugang zur Ehe für alle, Forderung nach Mutterschaftsschutz und Vaterschaftsurlaub etc. Die Frage nach der Integration feministischer Werte im Alltag blieb dabei stets im Raum.

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Avanzini erzählte von ihrem einjährigen Sohn: Es sei egal, ob er mit Autos oder Barbies spiele. Es störe sie vor allem, dass Kindern schon oft von Geburt an eine Geschlechterrolle zugeteilt wird, mit der sie sich vielleicht später gar nicht identifizieren können. Berisha fügte dem hinzu, dass das Problem unserer dichotomischen Ansichten bezüglich Mann/Frau bereits in unserer exklusiven Sprache läge. Bieri plädierte während der Diskussion immer wieder dafür, dass es höchste Zeit sei, die veralteten Geschlechterrollen über Bord zu werfen und mit den Normen zu brechen. Frauen sollten sich auch endlich davon verabschieden, von einem extremen äusserlichen Idealbild ins nächste zu rennen. Sie selbst habe sich beispielsweise die Haare aus einem simplen Grund abrasiert: Es gefällt ihr.

Elitäre Bubble versus Mainstream-Dings

Auf die Frage bezüglich der Stellung von Social Media und #MeToo berichteten Studhalter und Avanzini von eigenen Erfahrungen mit Shitstorm-Angriffen und Belästigungen. Allmählich lösten sich die Rednerinnen von Mosers Fragen. Von der «rechten Seite» wurde der FCL* für seine Absenz in den sozialen Medien kritisiert. Auf diese Weise bilde sich nämlich eine elitäre Bubble, die für Aussenstehende nur schwer zugänglich sei. Zudem erforderten die Argumentationen viel theoretisches Wissen, das einem breiten Publikum oft nicht gegeben ist. Studhalter entgegnete, dass dem definitiv nicht so sei, da der Feminismus ein Ideal von Empathie darstelle. Berisha fügte hinzu: Feminismus sei mit einer Rassismuskritik und Selbstreflexion der eigenen Privilegien verbunden. Genau das käme in diesem «Mainstream-Dings» definitiv zu kurz. Schliesslich ergriff Bieri das Wort: Auf politischer Ebene sei dieser Kampf um grosse Fragen notwendig. Im Alltag sei es jedoch besser, Ruhe reinzubringen, indem auf geduldige Art und Weise miteinander geredet und vermittelt  werden solle.

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Als gegen Ende der Diskussion die Zuhörer*innen miteinbezogen wurden, erhoben sich sowohl kritische als auch wohlwollende Stimmen: Wieso denn kein einziger Mann auf der Bühne sei, wurde gefragt (abgesehen davon liess der Männeranteil im Publikum auch zu wünschen übrig, nahm vielleicht zehn Prozent unter 60 Teilnehmer*innen ein). Oder weshalb keine anderen Ethnien unter den Rednerinnen vertreten seien, eine Anspielung auf die amerikanische Aktivistin Audre Lorde. Und dass Feminismus nicht nur bequem sei, wie es einem der Popfeminismus suggeriere. Es entstehe eine Gratwanderung zwischen Kommerzialisierung und dem Sensibilisieren möglichst vieler Menschen. Aber trotzdem brauche es alle Formen von Aktivismus, Pop hin oder her. Die Stimmen der Zuschauer*innen waren aufgrund der Akustik jedoch schlecht hörbar. Ein Mikrofon wäre definitiv von Vorteil gewesen.

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In der Pause zwischen Diskussion und Konzert wurde in der Bar und im Garten in kleineren Gruppen noch heftig weiterdiskutiert. Dementsprechend fiel das Publikum von Eclecta in der zweiten Hälfte des Abends bedeutend kleiner aus. So überzeugten die beiden Musikerinnen Andrina Bollinger und Marena Whitcher in einer familiären Atmosphäre mit einer breiten Auswahl an Instrumenten: Von Schwyzerörgeli über E-Gitarre, Drums bis zu Synthesizer nutzten die beiden Zürcherinnen alles. Auch das Malen mit einem Buntstift auf Papier trug zur Erzeugung von Klängen bei. Eine bunte, glitzrige und theatralische Pop-Performance, die ebenso viel Aufmerksamkeit wie das Podium verdient hätte. Aber dessen Gäste bevorzugten dann doch lieber die sommerlichen Temperaturen.