Felsnase mit Geschichte

Die Architekturhistorikerin Marion Sauter erzählt in ihrer neuen Publikation «Lopper» die Geschichte eines Innerschweizer Felsens. Kaum jemandem ist bewusst, wie wichtig dieser für den Schweizer Verkehr ist – und wie lange er es schon war.

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Titelfoto: Leonard von Matt

Eigentlich wollte Marion Sauter bloss ein Buch über den Renggpass schreiben, den Säumerweg von Alpnach nach Hergiswil über den Lopper. Doch die Arbeit der Architekturhistorikerin weitete sich aus – bald umfassten die Recherchen den ganzen markanten Hügelzug und dessen einzigartige Verkehrssituation und -geschichte. Eine Geschichte, die zeigt: Der Felsvorsprung am Ende des Pilatusmassivs, der in den Vierwaldstättersee ragt und den Kanton Luzern von Unterwalden trennt, ist für den Schweizer Verkehr von erstaunlicher Wichtigkeit – und dies schon seit Langem.

Der Lopper präsentiert sich heute in einem schweizweit fast einzigartigen Zustand: Es finden sich die Autobahn und eine Küstenstrasse sowie Tunnel, Brücken, Bahn- und Schiffsverkehr – alles auf engstem Raum. Die Entwicklung hin zur heutigen Situation ist eine lange; der Weg über die Alpen führte schon früh über den Lopper und Luzern ins Mittelland. Zunächst gab es zwischen Alpnach und Hergiswil nur den Säumerpfad über den Renggpass. Doch mit der fortschreitenden Entwicklung – einerseits der Ortschaften in Nidwalden und Obwalden, anderseits der Mobilität und des Handels – wurden immer breitere Strassen und ein stetig besserer Anschluss an die Stadt Luzern nötig. Entlang dieser Entwicklungen erzählt die Dozentin der Hochschule Luzern – Technik & Architektur sowohl die Geschichte der Ortsentwicklung als auch jene einer sozialen Veränderung der Innerschweiz.

Der Lopper und der Renggpass wurden im Kriegsfall zur bewaffneten Festung.

Sauter beleuchtet die umliegenden Ortschaften, etwa Alpnach, das sich bald für den Tourismus zu interessieren beginnt, oder Hergiswil, das auf der nördlichen Seite des Loppers von diesem weniger profitieren kann. Und immer wieder bettet Sauter das Innerschweizer Nadelöhr in grössere Verkehrszusammenhänge der Schweiz ein. Sauters Werk ist illustriert mit gut gewählten und aufwendig zusammengetragenen Bildern und Karten. So finden sich Bildstrecken mit ausdrucksstarken Schwarz-Weiss-Fotografien von FX Brun, die dem Lopper, dem Renggpass und den beschriebenen historischen Wegen ein nachhaltiges, markantes Antlitz verleihen.

Schliesslich beschreibt Sauter den Lopper aus militärhistorischer Sicht. Da der Lopper schon immer ein verkehrstechnisches Hindernis war, wurde dieser Umstand etwa während des Zweiten Weltkriegs im Rahmen der Réduit-Strategie genutzt. Der Lopper und der Renggpass wurden im Kriegsfall zur bewaffneten Festung in der Verteidigungslinie von General Guisan. Das Buch beschreibt die während dieser Zeit entstandenen Truppenkennzeichen, die man damals an die Felsen malte und die bis heute regelmässig restauriert werden. Die Beschreibung ist sachlich und ausführlich, jedoch für eine militärgeschichtliche Auseinandersetzung wenig kritisch. Die Autorin weiss darum und beschreibt ihren Exkurs in die Militärgeschichte als «Spagat», den sie mache, «in der Hoffnung, eine interessante kulturhistorische Geschichte erzählen zu können». Eine Hoffnung, die sich durchaus erfüllt.

Marion Sauter: Lopper. Überquert – umrundet – umkämpft.

Sachbuch. Librum Publishers, 2020. 176 Seiten, Fr. 45.00