Erotik und Coolness

Phantogram aus den USA gestern im Treibhaus – ein Duo, das live ein Trio ist. Das Konzert war unaufgeregt fantastisch.

Vorweg: Die Programmgruppe Erasedtapes hat’s schon faustdick hinter den Ohren, das muss mal gesagt sein. Die Veranstalter sind eine grosse Bereicherung für die Konzertszene Luzern – man braucht man sich nur einige Namen, die sie in den letzten Monaten nach Luzern holten, vor Augen zu führen: The Pains of Being Pure at Heart, Fool’s Gold oder gestern nun eben Phantogram. Ich halte die Debatte, dass in Luzern zu wenige oder zu wenig gute Bands spielen, für nichtig und beendet. Man muss sich halt öfters vor Ort im Treibhaus, Südpol, Schüür oder Sedel davon überzeugen. Nun aber zum gestrigen Konzert: Phantogram ist ein Duo, gegründet 2007 im gottvergessenen Saratoga Springs (USA), bestehend aus Sarah Barthel (Gesang, Keyboards) und Josh Carter (Gesang, Gitarre). Die beiden kennen sich aus der Schulzeit und veröffentlichten nach zwei EPs und dem 2009er-Debüt «Eyelid Movies» kürzlich eine neue EP namens «Nightlife». Ihre hypnotisch kreisenden Songs entwickeln einen ungemeinen Sog, Barthels sphärischer, fast gehauchter Gesang erhält Auftrieb durch einen satten, epischen Gitarren- und Synthieteppich – «Hier trifft Chanson auf Shoegaze, Dream-Pop auf Trip-Hop, knisternde Erotik auf Coolness», war in der Konzertankündigung in 041 – Das Kulturmagazin zu lesen. Live wird das Duo um einen Schlagzeuger erweitert. Das Treibhaus war sehr voll gestern (200 Leute) und viele auswärtige Gäste zugegen (einziges Schweizer Konzert). Es zeigte sich wieder einmal schön, zu welch grossartigem Club sich der Raum entwickeln kann: Das Licht war toll, der Sound schön laut, die Stimmung perfekt. Klar kam am Konzert viel auch ab Konserve, aber wie die elektronischen Beats mit dem Schlagzeug und die zwei Stimmen von Barthel und Carter ineinander griffen, war Klasse. Phantogram haben einen ganzen Strauss an äusserst zugänglichen und mitreissenden Songs, die zu keinem Zeitpunkt platt wirkten. Nichts war an diesem Abend aufgedrückt, und gerade das laszive, aber ungemein präzise Auftreten der drei Musiker war eine Augen- und Ohrenweide. Sängerin Barthel feierte gestern ihren Geburtstag, nur eine knappe, aber liebevolle Ansage Carters und eine kurze Glimmer-Bombe – ganz zu ihrer eigenen Überraschung – erinnerten daran. Die Band erreichte während des ganzen Konzerts eine schiere Bühnenpräsenz und lebte die Musik in Gesang und Bewegung – sowieso erzeugten Phantogram eine äusserst ansteckende Stimmung im Treibhaus. Die Songs waren auf den Punkt gebracht, die Show nüchtern, aber dennoch sehr packend – es passte rundum. Das ist Popmusik, die sich schmeichelhaft und gekonnt der besten Elemente bedient. Nach einer kurzen Zugabe, bei der Barthel nur mit Gitarrenbegleitung ihren intimsten und bewegendsten Moment genoss, war im richtigen Moment Schluss – die Stimmung: euphorisch. Den Konzertabend hatte zuvor die britische Band I Am in Love eröffnet, die aber letztlich ganz klar im Schatten von Phantogram stand. Der Sound von Schlagzeug, Gitarre, Synthesizer und Gesang tönte etwas zu offensichtlich so, wie man sich eine Combo mit diesem Instrumentarium heutzutage vorstellt. Der Sänger war zu sehr um Stimmung bemüht («Ich bin eine Rampensau!»), machte samt Trommel Ausflüge ins Publikum, ja sogar die ganze Band war gegen Schluss an der Perkussion bemüht. («Blue Man Group!» ertönt es fast gleichzeitig zu meiner linken und rechten – Ich glaube, das war kein Kompliment.). Nett, aber kaum aufregend, eine zuletzt etwas schwer fassbare Elektro-Indierock-Mischung, die sicherlich ihre guten Momente hatte. Phantogram – «When I'm Small»: [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=28tZ-S1LFok&feature=youtu.be[/youtube] I Am in Love – «Call Me an Animal»: [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=n3CFTLUvOS4&feature=youtu.be[/youtube]