Endlich Hasenpfeffer in der Holzhütte

Luzern, 23.03. Zum ersten Mal beehrte Stiller Has seine Fans in der Schüür. Der Nimbus eines Anacondas in Bestform beflügelte die Anwesenden an diesem Abend zu euphorischem Beifall.

«E gloube no a Märli», singt der Fronthase zu Beginn in einer Zeile und die Holzbalken der Schüür werden zur magischen Kulisse für die Dauer des Konzertes. Die Band schafft es mit ihrem Erscheinen auf einen Schlag, dass auch das Publikum wieder an Märchen glaubt – an solche aus der erzählten Welt von Endo Anaconda, wo Weihnachten abgesagt wird, weils der Joseph gestanden hat. Die Songs, die an diesem Abend vom Berner Viergespann geboten werden, sind grösstenteils Werke der beiden letzten Platten «Geisterbahn» und «So verdorbe». Mit dem «chlyne Tod» oder «fäderliecht» werden die Ohren der Zuhörer umgarnt und eingelullt in die schönen Untiefen der Melancholie. Der Kontrast zwischen Anacondas unverwechselbarer «roher Kraft» in der Stimme – eine Zuschreibung der guten Nella Martinetti – und dem liebevollen Gitarrenspiel des stets gleich dreinschauenden Schifer Schafer erzeugen die perfekte Spannung. Keineswegs zu verachten ist auch Salome Buser in der Besetzung als Bassistin, Organistin und Backgroundsängerin. Besonders bei schnelleren Stücken wie «Moudi», «So verdorbe» oder einer besonders rassigen Version von «Znüni näh» kommen Feingespür und Genauigkeit des Schlagzeugers Markus Fürst zum Vorschein. Allerdings nicht visuell, da er stets von den stattlichen Körperausmassen des Sängers verdeckt wird. Er sei es sich schon ein Leben lang gewohnt, im Weg zu stehen, witzelt Anaconda zwischendurch und nimmt damit Bezug auf einen Artikel. Eine bekannte Tageszeitung beschuldigte nämlich Stiller Has, den jungen Talenten in diesem Land im Wege zu stehen. Falls dem so wäre, ist dies aber sicher kein Grund zur Trauer, sondern der gerechte Lohn. Gerade Songs wie «Schifahre» zeugen von der einzigartigen Rolle der Band in der Schweizer Musiklandschaft. Niemand sonst versteht es so gekonnt karikierend, die eintönige Gefangenschaft im goldenen Käfig der Eidgenossenschaft zu besingen, ihr aber gleichzeitig die Poesie des Blues zu verleihen. «Bern hed de Berner Rock» – aber die Nation hat den Hasenblues. Das Publikum war derart begeistert, dass es eine Zugabe nach der andern verlangte – dazu noch auf eine solch energische Weise, wie es für Luzern eher ungewöhnlich anmutet. Der eine oder andere Hirsch, der seine Hörner noch nicht ganz abgestossen hat, war leider auch dabei und röhrte stets nervtötend dazwischen. Irgendwann wurde es dann der Band aber zu bunt und Anaconda präsentierte statt einem weiteren Ständchen zum Schluss noch seine Narbe von der Nierentumor-Operation. Die Schüür zieht eben doch ein weitaus jüngeres Klientel an als der Stadtkeller. Ausverkauft war es auch nicht ganz. Dies könnte eventuell in Zusammenhang mit den angeblichen Anrufern stehen, von denen der Barmann berichtete: Offenbar haben etliche Fans älteren Jahrgangs, die normalerweise im bestuhlten Stadtkeller ihren Idolen frönen, auf den Gang in die Schüür verzichtet, nachdem sie vom Konzept des Stehkonzertes erfahren haben.