Eine friedliche Rückeroberung

Kunsthalle Luzern, 17.09.2019: Zur Halbzeit des Mehrjahresprojekts «L21» wird für einmal nicht das Löwendenkmal selbst, sondern dessen Betrachter*innen ins Zentrum gerückt. Die Ausstellung «We Are The Lion» wirft kritische Fragen über Tourismus, Erinnerung und digitale Vernetzung auf.

Kurz hinstehen, Bild machen, weitergehen, so die Devise vieler Tourist*innen in Luzern. Das Löwendenkmal dürfte die letzten zehn Jahre über 50 Millionen Mal abfotografiert worden sein. So rechnen es die Machenden der aktuellen Ausstellung «We Are The Lion/ Der Löwe sind wir» in der Kunsthalle Luzern vor. Die Ausstellung findet im Rahmen vom Mehrjahresprojekt «Löwendenkmal 21» statt, welches bis zum Jubiläumsjahr 2021 regelmässig Veranstaltungen rund um die Denkstätte organisiert.

Für das aktuelle Projekt steht jedoch nicht das Löwendenkmal selbst im Scheinwerferlicht, sondern diejenigen, die es betrachten. Das Spannungsfeld zwischen sowohl Tourist*innen, die auch aufgrund des Denkmals anreisen, als auch Luzerner*innen, bei denen der sterbende Löwe längst Teil des Stadtbildes geworden ist, rückt damit ins Zentrum und hinterfragt in Stein Gemeisseltes.

«Der Speer wird umgedreht», formuliert es Peter Fischer, Projektleiter und Kurator «L21», bei der Vernissage diesen Donnerstag. Es geht um einen Perspektivenwechsel, um Erinnerungskultur und um Denkmäler in einer Zeit der digitalen Vernetzung.

#Luzern #LionMonument

In einer digitalen Diashow präsentiert Fernando Obieta sein Werk «circular instant». Es erscheinen Landschaften, ein Selfie vor dem KKL, auf der Seebrücke, ab und zu taucht auch ein Bild eines niedlichen Hundes auf.

Der Löwe sind wir

Generiert werden die Bilder von der sozialen Plattform Instagram. Die öffentlich unter den Hashtags «Luzern» und «Lion Monument» zugänglichen Bilder werden von der Plattform extrahiert und im Kunstraum präsentiert. Jeweils links Bilder von Luzerner*innen, rechts Bilder von Besuchenden. Es belichtet die Dissonanz zwischen der Erfahrung von Tourist*innen an einem bestimmten Ort und derjenigen der einheimischen Bevölkerung. Die Unterschiede sind teilweise frappant, teilweise jedoch überraschend klein. Taktgeber der Bilderwechsel ist ein leerer, im Kreis laufender Karusseldiaprojektor, ein analoger Kontrast zu den digital gezeigten Bildern.

Nicht ein, sondern unendlich viele Löwen

Nicht nur bei Obietas Werk, auch im Rest der Ausstellung wird klar: Den Löwen gibt es nicht. Am deutlichsten wird dies wohl beim wegen seiner Grösse markantesten Objekt in der Kunsthalle: Eine Art überdimensionale Wand im Bildformat, zusammengesetzt aus 25 einzelnen, unabhängigen Würfel-Segmenten. Jedes Segment eine individuelle Wahrnehmung des Löwendenkmals des Künstlerkollektivs «LABOR Luzern». Von felsähnlichen Konstruktionen über Spielzeugkrieger bis hin zu Barbie-Puppen mit Selfie-Stick in der Hand – die Heterogenität des «Lion Lab» widerspiegelt die individuellen Sichtweisen auf das allen Betrachtenden gemeinsame Löwenmotiv.

«Eine Rückeroberung des Ortes, ohne etwas wegzunehmen.»

Peter Firscher, Kurator «L21»

Auch die grosse Fotoserie «Im Teich» von Heidi Hostettler bietet eine ungewohnte Perspektive auf den sterbenden Löwen. Die Krienser Künstlerin taucht wortwörtlich im davorliegenden Teich ab und verleiht durch die dabei entstandenen Unterwasserbilder einem vermeintlich erschöpfend abfotografierten Ort eine poetische Note.

Heidi Hostettlers Unterwasserbilder

Ob melancholisch poetisch, Tourismuskritisch oder als Teil einer digitalen Erinnerungskultur, die Ausstellung führt einen an das weltbekannte Löwendenkmal und schafft, wie es Fischer resümiert, vor allem eines: «Eine Rückeroberung des Ortes, ohne etwas wegzunehmen.»

We Are The Lion / Der Löwe sind wir
Bis SO 22. Dezember
Kunsthalle Luzern.

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