Ein Volksfeind in Malters

Theater Malters, 08.04.2016: «Ein Volksfeind» ist das ambitionierte Projekt der Theatergesellschaft Malters. Kleine Stolpersteine vermochten den guten Gesamteindruck in keiner Weise zu trüben. Eine Empfehlung, sich auf die Wahrheitssuche zu begeben.

Wir sind das Volk Dr. Thomas Stockmann entdeckt, dass das Wasser des örtlichen Kurbads mit Mikroorganismen verseucht ist. Die Presse und die Mehrheit der ansässigen Bevölkerung folgen seiner Meinung, wonach die Wasserleitungen dringend saniert werden müssten. Als dann sein Bruder – und Bürgermeister – der Bevölkerung erklärt, welche wirtschaftlichen Folgen das Vorhaben hätte, wechselt die Gesinnung der Masse. Die Gedanken drehen nicht mehr um die Wasserqualität, sondern darum, wie viel die Sanierung kosten würde, dass der Steuerzahler dafür aufkommen müsse und dass für die Zeit der Bauarbeiten die wichtigste Einnahmequelle des Ortes versiegen würde. Der Doktor wird als «Volksfeind» verunglimpft, weil er plötzlich für eine Bedrohung der wirtschaftlichen Verhältnisse steht. Der Kampf um die Wahrheit ist einer gegen die opportunistische und anonyme Mehrheit, die für sich selbst in Anspruch nimmt, die Wahrheit gepachtet zu haben. Verbittert stellt Dr. Stockmann fest, dass nicht nur das Wasser, sondern auch die Gewissen der Bevölkerung verseucht seien. Wo ein Volksfeind ist, da ist auch ein Volk. Doch wer oder was ist das Volk und welche Meinung vertritt es? Die Mehrheit sei nur eine Vielzahl von Interessen, nicht die Verkörperung der Wahrheit. Sie korrumpiert diese sogar, richtet sich in die Richtung, wohin der Wind am wirtschaftlichsten weht. Mit diesem Thema hat Ibsens demokratiekritisches Werk an Aktualität nichts verloren. Der Vergleich zur Politik unserer Tage liegt nahe, besonders zu Zeiten, in denen Sprechchöre «Wir sind das Volk» auf der Strasse rufen. – Es stellt ein achtbares Projekt dar, eine derart herausfordernde Thematik mit Laienschauspielern einem Publikum präsentieren zu wollen, das sich die Konfrontation mit solchen Fragen wahrscheinlich weniger gewohnt ist.

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Bürgerbühne Professionelles Theater mit nicht-professionellen Darstellern ist spätestens seit der Gründung der Bürgerbühne Dresden eine immer häufigere Erscheinung in der Theaterszene. Mit der Auswahl von ernsthaften Stücken und der professionellen Begleitung positioniert sich die Theatergesellschaft Malters näher an den professionellen Theatern, als an den ländlichen Bauernschwank-Laientheatern. Aber mit nicht-professionellen Darstellern. Laiendarsteller bringen gegenüber den professionellen den Vorteil, dass sie ihren Charakter mit in die Aufführung tragen. Sie verschmelzen ihre eigene Lebensgeschichte mit derjenigen der gezeigten Figur. Passt die Rolle zum Spieler, wird die Figur lebhafter und nachvollziehbarer, als sie so mancher professionelle Schauspieler darstellen könnte. Besonders augenscheinlich war das bei René Bischof als Druckereibesitzer und bei Peter Stocker als Bruder von Thomas. Sie lebten ihre Rollen und werden auch Tage nach der Aufführung in Erinnerung bleiben. Alle anderen Schauspieler zeigten eine solide Leistung. Vereinzelte künstliche Stimmlagen oder unnatürliche Bewegungen riefen in Erinnerung, nicht professionelle Darsteller zu sehen. Solche kleinen «Holpersteine» wurden mit schnellen Wechseln wettgemacht und fielen in der Gesamtheit aber kaum ins Gewicht.

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Ein bestechendes Bühnenbild Wichtig für die Qualität eines Theaters mit nicht-professionellen Schauspielern ist die dahinterstehende Seriosität und Ernsthaftigkeit. Diese merkt man in «Ein Volksfeind» jeder Szene an. Es wurde geprobt, gefeilt und ausgeheckt, ohne Frage. Kennzeichnend dafür ist das Bühnenbild. Dieses ist von Anfang bis Ende durchdacht. PET-Flaschen-Vorhänge decken die drei Wände des Kurbads. Von einem kühlen Blau werden sie beleuchtet. Zwei kleine Wasserfälle plätschern im Hintergrund. Auf den beiden Seiten waschen sich Badegäste die Füsse. Es riecht nach Bade-Ölen. Dunkel und kühl, wie eine böse Vorahnung, wirkt das Dargebotene. Darin bald zwei Sessel, die gekonnt in die Streitigkeiten mit eingebaut werden. Am «Stühlerücken» kann erkannt werden, wie weit die einzelnen Positionen auseinanderliegen und wie mächtig die eine oder andere zur Zeit gerade ist. Später Gesichter auf Papiertaschen als Bild der Masse. Bild, Beleuchtung und Toneinsatz passen in jeder Szene.

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Regie: Walter Sigi Arnold Ausstattung: Anna Maria Glaudemans Lichtdesign: Martin Brun Regieassistenz: Rita Carlin Schauspieler: Mary Birri, Iris Bürkli, Sandra Dietschi, Helene Geisseler, Maria Portmann, Romy Roth-Kempf, Irina Studhalter, René Bischof, Guido Carlin, Elias Emmenegger, Matteo Emmenegger, David Fouillé, Markus Keller, Daniel Krummenacher, Stefan Meichtry, Willy Portmann, Markus Reust, Noah Zemp     Weitere Aufführungen: Sonntag, 10. April 2016, 17 Uhr Mittwoch, 13. April 2016 Freitag, 15. April 2016 Samstag, 16. April 2016 Mittwoch, 20. April 2016 Freitag, 22. April 2016 Samstag, 23. April 2016 Mittwoch, 27. April 2016 Donnerstag, 28. April 2016 Freitag, 29. April 2016 Samstag, 30. April 2016 Dernière