Ein euphorisierender Regentanz

Sonnenberg Kriens, 16.06.2016: Das B-Sides bot am ersten Abend Popmusik, die ein breites Spektrum an Emotionen heraufbeschwor: Von Euphorie bis Melancholie. Und die Einsicht, dass Musik die Kraft besitzt, unwirtliche Wetterverhältnisse vergessen zu machen. Von Stefan Zihlmann

(Titelfoto: Mik Matter, Fotos unten: Silvio Zeder)

 

«War es an der Bad Bonn Kilbi nass und kalt,

wird sich der Petrus eines besseren belehren,

und dem B-Sides Sonne bescheren.»

  Dem war nicht so. Aber Wetter hin, Wetter her, das B-Sides Festival steht ohnehin für sein breites und ambitioniertes Musikprogramm, auch wenn dies jeweils am Wochenende etwas in Vergessenheit gerät. Nämlich dann, wenn der Luzerner Kulturkuchen den Sonnenberg stürmt und sich das Festival zu einem frivolen Dorffest mausert. 18 Uhr: Cross Records aus Texas spielen als erstes gleich ihr schönstes Stück «Basket» ab ihrem aktuellen Album «Wabi-Sabi», das letztes Jahr erschien und von den Medien nicht die Aufmerksamkeit erhielt, das es verdient hätte. Denn ihre Mischung aus Dream-Pop und Dark-Folk besitzt die Magie, die Hope Sandovel mit Mazzy Star in den 1990er-Jahren hinaufbeschwor. Nicht nur das Timbre von Sängerin Emily Cross erinnert an Sandovel, auch wenn Dan Duszynski seine Gitarre mit viel Vibrato aufheulen lässt, sieht man sich unvermindert an die Wüsten-Blues-Romantik von Mazzy Star erinnert. Auch wenn sie nur zu zweit musizieren, klingen ihre Songs auf der kleinen Bühne ungemein dicht: Dies weil Duszinsky mit dem Kick-Drum den Rhythmus stampft, während er gleichzeitig Gitarre spielt und beim einen oder anderen Stück mit seiner Stimme noch in den Refrain einsteigt. Ein Duo, das zeigt, das sich Musiker auf der Bühne nicht gegenseitig auf den Füssen stehen müssen, um Songs zu spielen, die roh und einfach daherkommen und dennoch fesseln.

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18.45 Uhr: Schon beim zweiten Stück drehen Shearwater die Drehzahl in die Höhe. «Filaments» ab ihrem aktuellen Album «Jet Plane and Oxbow» ist ein Kraut-Rock-infizierter Song, der ihre Folkrock-Vergangenheit vergessen macht. Sänger und Gitarrist Jonathan Meiburg, der früher bei Okkervil River die Tasten schwang, hat in den Jahren aus Shearwater eine eingespielte Indie-Pop-Kombo geformt, die auch die ganz grossen Pop-Gesten beherrscht. Wie im Song «Quit Americans», einem pulsierenden Synthie-Pop Song mit einem euphorisierenden Refrain. Musik gemacht für die grosse Bühne.

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21 Uhr: The Notwist, die Band um die beiden Brüder Markus Acher und Micha Acher, gibt es schon seit über 25 Jahren. Angefangen haben sie als Hardcore-Band und Ende der 1990er-Jahre immer mehr zu einer Popband entwickelt, die ein feines Händchen für Melodien hat und es versteht, das ganze mit Elektronica zu verbinden. Ihre Live-Show vermittelt diese Synthese aus organischer, handgemachter Musik und Elektro-Einsprengsel in Perfektion. Hier ist eine eingespielte Band am Werk. Die ganze Show läuft ohne Unterbrechung, das leidige Stimmen der Gitarre fällt weg. Es weckt Erinnerungen an das Konzert von Caribou vor zwei Jahren auf dem Sonnenberg. Die Synthese aus Virtuosität und treibender Dynamik. Ihr Synthie-Pop-Klassiker «Pilots» ab ihrem Magnum opus «Neon Golden» aus dem Jahre 2002 strecken sie auf über 15 Minuten. Anfangs noch nah am Original bauen sie einen hallenden Dub-Teil ein, der sich mehr und mehr in eine Rave-Hymne transformiert und schlussendlich wieder im Refrain endet. Dann brechen alle Dämme und ein glückliches Publikum lärmt seine Freude in die Nacht hinaus.

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Lesen Sie die Rezension zum heutigen Abend noch auf Kulturteil.ch, am Samstag geniessen wir den Sonnenberg ohne Arbeit.