Ein Blick durchs Vergrösserungsglas

Der MaiHof, 20.06.2015: Das Ensemble Metropolis vom MusikWerk Luzern verschreibt sich ganz dem Repertoire der klassischen Moderne – also der Musik des 20. Jahrhunderts. Die laufende erste Saison befasst sich mit Arnold Schönberg und das dritte Zykluskonzert ergänzte die Musik mit Projektionen von Malerei und Texten, Kopien einer Satirezeitschrift und mündlichen Inputs.

«Paris Gare de l’Est – Budapest Keleti» nannte sich das Konzertprogramm und beinhaltete Werke von Debussy, Bartók und Ravel. Und natürlich von Arnold Schönberg. Dessen Serenade op. 24 bildete das dramaturgische Gerüst des Abends und das Konzert wurde mit den ersten vier der insgesamt sieben Sätze des Werks eröffnet. Dass sich im Ensemble Metropolis hochengagierte, informierte und differenzierte Musiker gefunden haben, wurde bereits nach wenigen Takten klar. Denn trotz der gewissen werkimmanenten Sperrigkeit blieb die Interpretation unter der Leitung von Johnathan Schiffman leicht, luftig und durchhörbar. Das Ensemble strahlt eine respektvolle Ernsthaftigkeit gegenüber der Musik des 20. Jahrhunderts aus, findet hie und da aber auch den Platz für ein Augenzwinkern – zum Glück! So geschehen beispielsweise am Ende von Debussys «Première Rhapsodie»: Der Klarinettist Pablo Barragan und die Pianistin Oliwia Grabowska timten das überraschende Ende dieses wogenden, poetischen Stücks so geschickt und humorvoll, dass weder die Musiker noch das Publikum sich ein Schmunzeln verkneifen konnten. Bartóks Streichquartett Nr. 2 ergänzte die erste Konzerthälfte einerseits besetzungstechnisch, andererseits durch eine bisher nicht gehörte Klanglichkeit. Im Fokus standen die hoch expressiven, dunklen Momente des Werks. Es gelang eine eindringliche, sinnliche Interpretation, die gerade auch in Abgrenzung zur akustischen Komplexität der Serenade und der poetischen Farbigkeit Debussys eine grosse Kraft entfaltete. Nach einer etwas lang geratenen Pause folgten die «Trois poèmes de Stéphane Mallarmé» von Maurice Ravel. Die Sopranistin Estelle Poscio sang die drei Mallarmé-Lieder mit grosser Leichtigkeit und präziser Deklamation. Das nun neunköpfige Musikerensemble gestaltete agil und flexibel mit. Die Akustik des MaiHofs erwies sich für Kammermusik- und Ensemblewerke als ideal und kam besonders in diesem Stück fabelhaft zur Geltung. Zu guter Letzt – und zu inzwischen fortgeschrittener Stunde – spannten die letzten drei Sätze von Schönbergs Serenade op. 24 den Bogen zurück zum Anfang. Dramaturgisch ein geschickter Schachzug, denn während das Ensemble Metropolis sein Publikum mit den ersten vier Sätzen ohne Vorbereitung konfrontierte, folgten die letzten drei Sätze auf eine ganze Reihe musikalischer und aussermusikalischer Eindrücke. Zum einen kontextualisierten die ergänzenden Stücke quasi rückblickend Schönbergs Werk. Zum anderen bereicherten auch die Projektionen von Malereien und der Liedtexte, sowie kurze mündliche Beiträge zwischen den Stücken und Kopien der Satirezeitschrift «Die Fackel» von Karl Kraus die Musikwahrnehmung. Alle diese Inputs differenzierten und erweiterten den Höreindruck der Schönberg’schen Musik im Vergleich zum Anfang. So wurde die im Programmheft zu lesende Prämisse des «Blicks durchs Vergrösserungsglas» eingelöst – und hinschauen lohnt sich beim MusikWerk wohl auch in Zukunft sehr!