Eifrige Weltenverbinder

Konzerthaus Schüür, Luzern, 30.11.2019: Am letzten Konzert ihrer Tour zeigen Zeal & Ardor, warum sie zu den aufstrebendsten Schweizer Bands gehören. Einst als glückliche Fügung entstanden, ist die Band rund um Sänger und Kopf Manuel Gagneux heute ein atemberaubender Live-Act.

Langsam schreiten die Musiker, die Gesichter von Kapuzen verhüllt, von der Dunkelheit verborgen und von Musik begleitet auf die Bühne. Die Spannung im Luzerner Konzerthaus Schüür ist beinahe mit Händen greifbar. Der Hunger des Publikums, die gespannte Erwartung auf das, was kommt, ist kaum auszuhalten. Sie alle wollen Zeal & Ardor sehen. Unbeweglich stehen vier Gestalten am Bühnenrand. Das Intro steigert sich immer weiter, scheint nie aufzuhören. Dann geht es los.

Die Geschichte dieser Band ist eine glühende Erinnerung daran, dass auch heute noch besondere Dinge geschehen können. Auf der Onlineplattform 4Chan suchte der amerikanisch-schweizerische Musiker Manuel Gagneux nach Inspiration für einen Song. Auf seine Frage, welche zwei Genres er mischen solle, kam die Antwort Black Metal und afroamerikanische Musik (und wenn Sie 4Chan kennen, können Sie sich vorstellen, dass Zweiteres nicht in diesem Wortlaut genannt wurde).

Das Produkt dieser Mischung wurde zu einem riesigen Erfolg und katapultierte Gagneux mit dem Album «Devil is Fine» 2016 in die höheren Sphären der Metal-Welt. Für sein 2018 erschienenes, zweites Studioalbum «Strange Fruit» (eine Beschwörung des beklemmenden Klassikers von Billie Holiday) stellte Gagneux eine Band zusammen, mit der er wuchtigen Schrittes weiter schreitet. Einer extensiven Tour – von Australien über Amerika zurück nach Europa – wird an diesem Abend das Ende in Luzern gesetzt. Es ist das letzte Konzert der Band für mindestens sechs Monate.

Zeal&Ardor

Der Sound von Zeal & Ardor ist am einfachsten als kraftvoll zu beschreiben. Alles fühlt sich gross und raumfüllend an, und in den besten Momenten auch schmutzig und beklemmend. Flankiert von zwei Backgroundsängern singt Gagneux einfühlsam die meist düsteren Songtexte. Treibend schwer mit viel Soul zieht die Band in ihre Songs hinein, die dann aufbrechen und zu Herzrasen verursachendem Metal werden. Tremolos auf den Gitarren, rapides Drumspiel, und aus dem Gesang wird Geschrei. Gagneux lässt bei diesem Konzert alles raus, was in ihm steckt. Man spürt förmlich, wie er all seine Kraft in die Songs investiert. Während den einzelnen Liedern ist sein Gesicht wütend angespannt, ein wirrer Blick zeichnet sich darauf ab. Die Intensität ist atemberaubend.

Etwas schade ist nur, dass ein grosser Teil der Instrumentation digital eingespielt wird, was einen ein wenig aus der Unmittelbarkeit herausreisst.

zeal&ardor

Die Mischung der Stile ist nie zu forciert. Das ist auch das Geheimnis des Erfolgs von Zeal & Ardor: Welten verbinden. Es ist keine Metalband. Es ist keine Gospel- oder Soulband. Es ist auch keine Popband. Es ist etwas aus all diesen Richtungen und gleichzeitig etwas völlig eigenes. Für die Metalheads ist genug zum Headbangen da, Gospel- und Soulanhänger finden reichlich Seele und tiefschürfende Texte; und Popfreunde stossen auf Ohrwürmer. Altbekanntes trifft auf zum ersten Mal Gehörtes.

Trotzdem: Ein Wermutstropfen ist, dass Zeal & Ardor am Rande einer Popfalle spielen. Einige der Songs sind typischer Heavy Pop, wie man ihn mittlerweile schon zigmal zu hören bekam. Es fehlt der Biss, zu dem Zeal & Ardor mehr als fähig wären. Es steckt enorm viel Kreativität in diesem glücklichen Zufall von Band, es wäre nur zu schade, wenn diese nicht weiter genutzt würde.

So langsam die fünf Musiker auf die Bühne gekommen sind, so schnell verlassen sie sie am Ende wieder. Ein unspektakulärer, nonchalanter Abgang. Das Publikum will mehr, muss sich aber eben mindestens sechs Monate gedulden. Aber für eine Band wie Zeal & Ardor wartet man gerne ein wenig.

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