Diese Stimme, dieser Vollbart ...

Harry Rowohlt, unter anderem Übersetzer, Kolumnist und Penner in der Lindenstrasse, war am Donnerstag zu Besuch bei Barfood Poetry im La Fourmi. Er erzählte, las aus Kolumnen und von ihm übersetzten Büchern und trank Mineralwasser. Beste, geistreiche Unterhaltung.

Das La Fourmi war zum Bersten voll. Voll wie wohl noch nie bei einer Barfood-Poetry-Veranstaltung. Gefühlte 10 Minuten anstehen bei der Kasse, 20 fürs Bier und sich dann schnell auf einen der auf der Bühne aufgestellten Stühle werfen. Von da sah man dann zwar dem Publikum ins Gesicht statt Herrn Rowohlt, aber immer noch besser als Stehen. Denn Rowohlt hat einen langen Atem.

Ein bisschen verspätet begann er, dann aber wollte er gar nicht mehr aufhören. Abzüglich einer Pause über drei Stunden. Drei Stunden bester Unterhaltung. Und das, obwohl sich Rowohlt aufgrund Polyneuropathie nach eigener Aussage nur noch vier Mal im Jahr die Kante geben darf. Und dementsprechend Valser-Wasser trank. Aber wer weiss schon wie ausschweifend das Ganze mit ‘ner Flasche Schnaps auf dem Tisch geworden wäre? Harry Rowohlt ist Erbe des Rowohlt-Verlages, hat aber, wie er gerne betont, nichts, aber auch wirklich gar nichts mehr mit dem Haus zu tun. Stattdessen beschäftigt er sich mit Kolumnen (unregelmässig: «Pooh’s Corner» in «Die Zeit»), Schauspielerei («Schauspieler bin ich aber nicht.») und vor allem dem Übersetzen von Büchern (u.a. Frank McCourt: «Die Asche meiner Mutter»). Nach der Einschleimphase gab’s dann zunächst mal einen Ausschnitt aus dem von Rowohlt übersetzten Kinderbuch «Sie sind ein schlechter Mensch, Mr. Gum!» von Andy Stanton. Passend als Vertreter der Gattung «notorisch bekifftes englisches Kinderbuch» tituliert. Und es ist schnell klar, mit dieser Stimme könnte einem Rowohlt alles verkaufen. Weil aber das Erzählte und Vorgelesene über weite Strecken zum Totlachen ist, wird beste Unterhaltung geboten. Immer witzig, immer geistreich, hintergründig, aber sich niemals zu ernst nehmend. Und alles in einer gesunden Mischung aus eigenem Material, Übersetztem, Anekdoten und sonstigen Betrachtungen. Sogar im Rauchverbot fand Rowohlt Positives: Habe man vorher auf Partys stundenlang die interessanten und netten Menschen suchen müssen, genüge es nun, vor die Tür zu gehen.

Gab’s was zu bemängeln? Eigentlich nicht. Ab und an fiel vielleicht mal ein Name, der einem nicht geläufig war, oder man interessierte sich nicht wahnsinnig für Hamburger Lokalpatriotismus, bzw. Abneigung gegen Bremen. Und es wäre schön gewesen, das Ende der unaufgefordert dargebotenen Zugabe noch hören zu können, anstatt auf den letzten Bus hetzen zu müssen, aber dafür kann man nun wirklich niemanden verantwortlich machen. Auf den Punkt bringen könnte man es vielleicht so: Man würde gerne mit Harry Rowohlt von 4 Uhr nachmittags bis tief in die Nacht hinein in einer Kneipe sitzen und vor allem zuhören. Auch bei Mineralwasser. Wenn es sein müsste.