Die neue Ausgabe ist da!

041 – Das Kulturmagazin im März 2023

GENIEKULT UND ANTISEMITISMUS

Richard Wagner komponierte in Luzern nicht nur einige seiner Werke, sondern verfasste auf Tribschen auch antisemitische Schriften. Mit der bevorstehenden Neueröffnung des Richard Wagner Museums stellt sich die Frage: Wie könnte eine angemessene Gedenkpraxis aussehen?

FÄHRTEN FOLGEN

Kolonialismus ist in der Innerschweiz bis heute kaum ein Thema. Nun begibt sich die Obwaldner Künstlerin Olivia Abächerli auf die Spuren kolonialer Vergangenheit.

ERWEITERUNG MIT DOMINANTER GESTE

Kolonialismus ist in der Innerschweiz bis heute kaum ein Thema. Nun begibt sich die Obwaldner Künstlerin Olivia Abächerli auf die Spuren kolonialer Vergangenheit.


 

Liebe Leser:innen

«Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd», schrieb die deutsche Autorin Christa Wolf in ihrem Buch «Kindheitsmuster» aus dem Jahr 1976. Darin nahm sie sich Fragen der individuellen und kollektiven Erinnerung im Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg an.

Dass die Vergangenheit in der Gegenwart fortwirkt, das scheint insbesondere die Schweiz nicht wahrnehmen zu wollen. Während im Stadthaus Zürich nun die längst überfällige Ausstellung «Blinde Flecken» zu sehen ist, die sich den kolonialen Verflechtungen der Stadt widmet, engagieren sich in der Zentralschweiz  lediglich Forscher:innen, Aktivist:innen und Künstler:innen für eine angemessene Erinnerungskultur und -politik. Eine davon ist Olivia Abächerli. Die in Obwalden geborene und aufgewachsene Künstlerin durchforstet staatliche Archive und erzählt die Geschichten jener Personen, die aus der kollektiven Erinnerung getilgt wurden. In ihrer neuesten Arbeit widmet sie sich der Geschichte von Ibu Silla, einer kolonisierten Frau und «Hausangestellten» von Louis Wyrsch, der in den 1830er-Jahren in der niederländischen Kolonialarmee in Borneo stationiert war und sich später mit seiner Familie in Nidwalden niederliess. Unsere Autorin Eva-Maria Knüsel hat die Künstlerin in ihrem Wohnatelier in Bern besucht und mit ihr über ihre künstlerische Praxis gesprochen und über die Frage, was Gerechtigkeit im heutigen globalen Kontext bedeuten kann.

 

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Die fehlende Erinnerungskultur und -politik bezieht sich nicht nur auf die koloniale Vergangenheit der Schweiz, sondern auch auf den Zweiten Weltkrieg und ihre Rolle darin. Ein Beispiel dafür ist Richard Wagner, eine bis heute prägende Figur für Luzern. Auf Tribschen komponierte er nicht nur einige seiner Werke, sondern schrieb und vertrieb auch antisemitische Schriften. Allerdings lässt die Aufarbeitung und Kontextualisierung im Richard Wagner Museum – das von der öffentlichen Hand finanziert wird – zu wünschen übrig. Stattdessen herrschte in den Ausstellungsräumen ein ausgeprägter Geniekult, der sich in den Büsten von Wagner niederschlug, in Totenmasken und Notenheften.

Ob die Stadt Luzern und das Museum ihre Verantwortung für die Aufarbeitung und eine angemessene Vermittlung nun wahrnehmen, wird sich bei der Neueröffnung im April zeigen. Denn diesen Winter wurde die Dauerausstellung nach 40 Jahren zum ersten Mal erneuert. Wie unbeschwert die Besucher:innen nun «atmosphärisch in ‹Wagners Welt›» werden eintauchen können, wie es in der Medienmitteilung von Ende Oktober hiess, wird sich zeigen.

Wir wünschen eine angeregte Lektüre.

Giulia Bernardi und Robyn Muffler


 

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