Die Kraft des Flüchtigen

(ort), Raum für Performance, Emmenbrücke, 29.11.2019: Die Luzerner Vertreter*innen des Performance Art Network CH präsentierten am Donnerstagabend ihre Sammlung der letzten fünfzig Jahren Performancekunst in der Innerschweiz. Gefeiert wurde mit zwei Vorstellungen aus diesem Archiv.

An diesem Donnerstagabend präsentierten die Luzerner Vertreter*innen von Performance Art Network CH (PANCH) ihren in akribischer Arbeit erstellten Online-Katalog «Zur Innerschweizer Performancekunst 1969 – 2019». Es ist der erste Versuch der Archivierung von etwas Flüchtigem: den Performances hiesiger Kunstschaffenden. Auf einem Zeitstrahl wurden diverse Inszenierungen aus den letzten fünfzig Jahren aufgeführt. Dazu stellten Zita Bucher, Margarit von Büren, Judith Huber und Jan Schacher von PANCH Lupe Luzern ein Booklet mit den bis dato wichtigsten Erkenntnissen vor.

Zur Feier der Veröffentlichung des Katalogs, für den die Luzerner Kunstschaffenden zwei Jahre lang recherchiert und unzählige Interviews geführt haben, gab es am Donnerstag im (ort) Raum für Performance in Emmenbrücke gleich zwei Performances aus diesem Fundus zu bestaunen: eine von Mahtola Wittmer und die andere von Valerian Maly und Klara Schilliger.

Das Bleibende in der Flüchtigkeit

Das neue Online-Archiv wagt sich an die grossen Fragen: Was ist Performance? Wie steht es um deren Präsenz in der Innerschweiz? Und: Wie hält man sie fest, diese Kunstform, die bloss im Moment passiert?

Deutliche Antworten auf diese Fragen gaben an diesem Abend auch die ausgewählten Vorstellungen nicht, doch sie machten eine Qualität dieser flüchtigen Kunstform deutlich: Die unmittelbare Nähe zur Realität. Oft bestehend aus einfachen Handlungen, die für sich alleine sprechen, wirken die Geschehnisse auf der Bühne wie ein Spiegel, der dem Publikum vorgehalten wird.

Mahtola Wittmer gelang dieses Erzeugen von Nähe besonders gut. Die Künstlerin betrat den Raum mit einer grossen Matratze und bezog die daraufliegende Bettdecke. Als nächstes legte sie zwei Kissen hin, riss sie auf, nahm eine Handvoll Federn aus einem Kissen und stopfte sie in das andere und nähte beide wieder zu. Ende! Wittmer zeigte damit eine kluge Allegorie zur Liebe: ein Stück von sich selbst im anderen zu hinterlassen, das gehört zu intimen menschlichen Begegnungen. Risse und deren mühevolles Flicken gehören zum Weg zur Gemeinsamkeit.

Klara Schilliger und Valerian Maly im (ort)

Die zweite Performance erzählte die Geschichte, wie Klara Schilliger und Valerian Maly an diesem Abend überhaupt zur Veranstaltung gefunden haben. Es beginnt mit der Diskussion: Reisen die Kunstschaffenden eher in die Hauptstadt Kameruns für eine Ausstellung oder doch nach Emmenbrücke zum (ort)? Dieser Frage widmen sich die beiden während dem Kochen.

In der halben Stunde, welche die Besuchenden diesem Gespräch lauschten, verlor sich jedoch die Spannung, die zu Beginn aufgebaut wurde. Den Werdegang ihrer Entscheidung zu verfolgen, in einem Dialog von Globalisierung über Treibhausgase bis zur Europapolitik, wurde trotz der Aktualität der Themen nicht packend.

Doch der Schluss verpasste der Vorstellung einen gelungenen Twist: Zu Beginn sind zwischen Publikum und Performer*innen Leintücher gespannt worden, auf denen letztere bloss als Silhouetten zu sehen sind. Diese Vorhänge fielen schliesslich weg und enthüllten Maly und Schilliger in farbigen Kleidern aus Kamerun. Tatsächlich wurde auch der Tradition entsprechend gekocht. Von der Kälte Emmenbrückes in die Wärme Kameruns innert kürzester Zeit. Unsere Welt macht es möglich.  

Zeigen was möglich ist

Die Präsentation des Booklets, sowie die beiden Vorstellungen boten einen spannenden Einblick in das Schaffen der Innerschweizer Performancekunst. Ein Gefühl zu erzeugen für Vergangenes, um der Zukunft mögliche Wege zu weisen, das ist der Lupe Luzern gelungen. Das Projekt stellt eine Möglichkeit zur engeren Vernetzung der verschiedenen Kunstschaffenden in der Region dar – eine Szene mit zahlreichen vielversprechenden Exponent*innen, sowohl damals wie heute.