In der Krise vergessen

Buchhandlungen verzeichnen seit Mitte März massive Umsatzverluste. Das hat auch drastische Konsequenzen für Verlage, die ohne die Unterstützung des Bundes auskommen müssen.

Bild: S. Meyer

«Wir gehen von einem Verlust von über 50 Prozent aus», macht Matthias Burki, Leiter des Verlags Der gesunde Menschenversand in Luzern, die prekäre Lage deutlich. Seit Beginn der Corona-Krise hat die ganze Buchbranche hohe Umsatzverluste zu beklagen. Einerseits liegt dies daran, dass die Bestellungen der Buchhandlungen, die erst am 11. Mai wieder eröffnen durften, ausgeblieben sind. Dies betraf unter anderem Neuerscheinungen, da für viele Geschäfte noch ungewiss war, wie lange der Lockdown andauern würde. Anderseits fallen abgesagte Lesungen, Buchvernissagen und -messen für die Verlage schwer ins Gewicht.

«Wir versuchen unsere Veranstaltungen auf den Herbst zu verschieben», sagt Matthias Burki. Doch das sei nicht ganz einfach. «Momentan ist noch unklar, ob und in welchem Ausmass diese im Herbst tatsächlich stattfinden können. Viele Organisatorinnen und Organisatoren warten erst mal ab, wie sich die Situation entwickelt. » Gleichzeitig müssen die Neuerscheinungen vom Herbst ebenfalls einen Platz im Programm finden, was in einem Überangebot resultiert. «Es ist schwierig abzuschätzen, welche Veranstaltungen nachgeholt und welche ganz abgesagt werden», so Matthias Burki. «Es wäre denkbar, dass Buchvernissagen dabei eher Vorrang haben als Lesungen.» Die Leidtragenden sind nicht zuletzt die Autorinnen und Autoren.

Matthias Bürki

«Die Verlagsförderung vom Bundesamt für Kultur, die 2016 ins Leben gerufen wurde, sagt ja aus, dass Verlage unterstützungswürdig sind. Ich finde es widersprüchlich, dass dies in einer Notsituation plötzlich nicht mehr der Fall sein soll.»

Matthias Burki, Verlag Der gesunde Menschenversand

Auch online sei es nur bedingt möglich, abgesagte Anlässe und damit zusammenhängende Einnahmen zu kompensieren. Denn im Rahmen einer Online-Lesung können keine Eintritte verlangt und keine Bücher verkauft werden. «Ich bin eher skeptisch, was diese Gratisangebote betrifft. Es wäre eine problematische Entwicklung, wenn Kulturveranstaltungen nur noch kostenlos stattfinden oder von Spenden abhängig sind.»

Ganz hat Der gesunde Menschenversand aber nicht auf den Einsatz von digitalen Medien verzichtet und diese auf anderem Wege genutzt. So habe der Verlag seine Autorinnen und Autoren dazu aufgerufen, gegenseitig auf Bücher zu verweisen, etwa über Social Media. Dadurch haben sich die Direktbestellungen beim Verlag in den letzten Wochen verdoppelt bis verdreifacht. «Das hört sich zunächst nach viel an, doch bei 300 Bestellungen jährlich reicht das nicht mal ansatzweise, um die Umsatzverluste zu decken.»

Unterstützung vom Bund erhalten die Verlage zurzeit nicht, da sie als gewinnorientierte Branche gelten. Dass Verlage tatsächlich gewinnbringend sind, sei allerdings nur selten der Fall, so Matthias Burki. Darum sieht er Verlage eher als Kulturakteure, weil sie Autorinnen und Autoren portieren. Den Entscheid des Bundes findet er unverständlich: «Die Verlagsförderung vom Bundesamt für Kultur, die 2016 ins Leben gerufen wurde, sagt ja aus, dass Verlage unterstützungswürdig sind. Ich finde es widersprüchlich, dass dies in einer Notsituation plötzlich nicht mehr der Fall sein soll.»

«Die Anteilnahme ist gross»

Neben den Verlagen haben auch die Buchhandlungen einen schweren Stand. Sie melden Kurzarbeit an oder setzen vermehrt auf digitale Medien, um über die Runden zu kommen. Bei der Bücherei von Matt in Stans haben sich seit Mitte März die Online-Bestellungen verdreifacht. «Die Anteilnahme der Bevölkerung ist gross. Viele Kundinnen und Kunden bestellen explizit bei uns», sagt Geschäftsführer Martin von Matt.

Dennoch reichen die Bestellungen nicht aus, um den Umsatzverlust zu decken. «Im März hatten wir einen Verlust von 40 Prozent. Im April wird es wohl ähnlich aussehen.» Auch die weit verbreitete Annahme, dass momentan mehr gelesen werde, da man mehr Zeit zu Hause verbringt, sei schwierig in Zahlen zu fassen. Denn in der aktuellen Lage kommen Aspekte wie Homeoffice oder die Betreuung der Kinder dazu. «Wir haben viele Rückmeldungen erhalten, dass unsere Kundinnen und Kunden nun endlich die Bücher lesen können, welche sie schon vorher gekauft haben.»

«Da wir momentan auf jede Bestellung angewiesen sind, liefern wir ohne Minimalbetrag aus, was sich oft nicht lohnt.»

Martina Küng, Buechlade Hochdorf

Trotz der aktuellen Situation ist Martin von Matt zuversichtlich, bleibt aber dennoch realistisch: «Auch nach der Wiedereröffnung am 11. Mai wird es noch eine Weile dauern, bis sich die Buchbranche erholt.»

Neben dem Online-Handel setzen viele Buchhandlungen auf neue Formate, darunter etwa kostenlose Lieferdienste. Neben der Bücherei von Matt bietet dies auch die Buchhändlerin Martina Küng in Hochdorf an. «Mit dem Lieferdienst kann ich den Umsatz einigermassen halten. Da wir momentan auf jede Bestellung angewiesen sind, liefern wir ohne Minimalbetrag aus, was sich oft nicht lohnt.» Um die Menge an Bestellungen zu bewältigen, ist die Einzelunternehmerin auf die Hilfe ihrer Familie angewiesen.

Auch der administrative Aufwand habe sich verdreifacht. Während Beratungen und Verkäufe vorher direkt im Laden abgewickelt wurden, finden diese nun per E-Mail oder telefonisch statt, was viel zeitintensiver sei. Danach müssen Rechnungen geschrieben und Bestellungen ausgeliefert werden. Gleichzeitig stellt Martina Küng ein Umdenken bei der Bevölkerung fest: «Man spricht schon lange vom ‹Lädelisterben›. Jetzt wird den Menschen bewusst, welche Folgen es für ihr Dorf oder ihre Region hätte.»