Der Gesellschaft nicht ganz zugehörig

Loge Luzern, 25.6.2015: Es ist unrasiert, dieses Ungemach das getauft wird, das jüngste Buch von Erich Hirtler. Was so spriesst und wer dreinposaunt, lesen Sie hier.

Hirtler hat einen unglaublichen Output, das steht fest. Nachdem sich der Autor Ende 2014 mit «Aus der Versenkung» von seiner längeren Südamerika-Reise zurückmeldete, landete das Werk in «041 - Das Kulturmagazin» just auf dem ersten Platz in der Sparte Literatur der besten Kulturbeiträge der Zentralschweiz. Nun also das «Unrasierte Ungemach», wo Hirtler wiederentdeckte, überarbeitete Texte aus den Jahren 1987 bis 1998 versammelt. Der nächste Band, ein zweiteiliges Prosawerk, erscheint 2016 im Bucher Verlag Hohenems. Schlag auf Schlag. So macht das Hirtler. Es wurde ein schönes Buch – gestaltet wie das letzte vom fabulösen Luca Schenardi – und es ist ein schöner Abend. Superbock stimmt ein, kurz vor 20 Uhr beginnt Hirtler zu lesen. Eingerahmt von Gedanken, was denn einen Schriftsteller ausmacht, liest er zuerst aus dem neusten Text, der 1998 entstandenen Erzählung «Der Besuch». Sie handelt von einem Zwergenbrüderpaar, das abgekehrt von der Gesellschaft bedenkenlos grausame Handlungen begeht. Zwerge hätten ihn schon immer fasziniert, erklärt Hirtler. Unter anderem wohl, weil sie sich – wie er selber – «der Gesellschaft nicht ganz zugehörig» fühlen. Es ist interessant und ein bisschen diskrepant, diese kalte Klinge von einem Text durch Hirtlers doch angenehm warme, vertrauensselige Stimme zu hören. Die Gedichte («Flugblätter», 1988) sind kurz, knapp und grandios. «Gedichte sind Wölklein / Die sich zusammenballen / Und wieder verdunsten (...) Wer versteht die Buchstaben?» darauf «Gegrüsst seist du Maria / Ich verstehe dass du nicht mehr / Gebären willst (..) Nun bist du durchgebrannt / Mit einem Neger / Und scheinst im Himmel zu sein (...) Keine Angst / Niemand hatte dich erkannt». Hier passt die Stimme, die die Worte formt, ummantelt, sie ans Ohr trägt. Hier passt alles. Hirtler ist nicht allein. Einer posaunt drein. Das ist Beat Unternährer. Witzig, virtuos und mit einem guten Ohr für Hirtlers Sound und Inhalte, interpretiert, ironisiert er das Gesprochene. Nach knapp fünfzig Minuten ist Schluss.  Die Worte drehen sich weiter. Hacken sich fest. «Ich höre Pfeffer. Heisst das, dass du jetzt was werden willst?» Von Erich Hirtler wird man lesen. Bald. Und mehr. Bis dahin reicht dieses «Unrasierte Ungemach» allemal. Ein teil hartes, teils karges, stets stimmiges Spriessen, das auch sprachlich seine Flughöhe nie verlässt.

Link zu Pablo Hallers Rezension von «Unrasiertes Ungemach» in «041 - Das Kulturmagazin».