Den Herbst tanzbar machen

ewl-Gelände / Sinnlicht / Schüür / Uferlos / Tamilenschule / Prizzi, 12.09.2015: Bereits in die sechste Runde ging das «Glücklich Festival» am vergangenen Samstag. Auf acht verschiedenen Bühnen, rund um die Industriestrasse, fanden um die drei Dutzend Konzerte statt. Eine Veranstaltung, deren Name aus dem ultimativen Adjektiv der Freude besteht, schürt hohe Erwartungen.

Diesen schien das, in den letzten Jahren sukzessive anwachsende Festival bisher gerecht geworden zu sein – konstante Besucherzahlen, wachsendes Line-Up, neue Locations. Lokale Musiker_innen teilten sich auch dieses Jahr die Bühne mit diversen Künstler_innen von nah und fern. Verglichen mit der letztjährigen Ausgabe sprangen einem allerdings bei der Betrachtung des Programms etwas weniger musikalische Lockvögel ins Auge. Soll jedoch bekanntlich nicht viel verheissen. Regenfeste Kleidung brauchte man nicht dabeizuhaben. Eintröpfeln taten an diesem sonnigen Vorabend lediglich die Festivalbesucher. Dies jedoch in einer etwas zögernden Frequenz. Der gemütlichen Stimmung wie auch der Bühnenpräsenz von Weekend Phantom schien dieser Zustand allerdings wenig anzuhaben. Wie aus dem Nähkästchen plauderten Sänger/Gitarrist Markus Aregger und Schlagzeuger Markus Ineichen mit dem Publikum. Levis habe sie im Rahmen dieses Festivals mit neuen Jeans ausgerüstet. Weil sie so eine Augenweide wären, versteht sich.

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Gut eine Stunde lang spielte die vierköpfige Willisauer Band auf der Hauptbühne. Sei es bei der am Boden sitzenden Menschenmenge links davon oder der stehenden auf der rechten Seite – die etwas ungeschliffen daherkommenden Lo-Fi-Klänge fanden beiderorts Anklang. Die prägnanten Gitarrenriffs und die eingängigen, teilweise etwas unsteten Melodien nahmen ein. Keineswegs fordernd. Völlig ungezwungen liessen sie einem ankommen. Und machten Lust zum dableiben. Das letzte Konzert in der Schweiz sei dies gewesen. Zumindest für einige Zeit, so Aregger vor dem letzten Lied. Ein wunderbarer Ausklang, wären sie nicht mit einem «Möched Lärm för Who’s Elektra!» abmoderiert worden.

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Jenes Luzerner Trio stand nämlich erst als nächstes auf der Bühne, beziehungsweise dem Anhänger eines Transportwagens. Diese eher ungewohnte Installation fügte sich schicklich in die industrielle Kulisse und sorgte für spontanes Verweilen. Ein Attribut, das man an Festivals so schätzt. Who’s Elektra, die Band um Sänger und Gitarrist Besi Berisha forderte dann doch schon bereits das eine oder andere Tanzbein heraus. Die spannungsgeladenen Rhythmen holten Gross und Klein aus der gemütlichen Nachmittagsatmosphäre ab. Besonders den Kleinsten schienen die jazzig-rockigen Grooves in die Knochen zu fahren, was zu teilweise sehr rhythmisch ausfallenden Tanzeinlagen und folglich zu mehreren «Jö-Momenten» führte. Das zu leise abgemischte Mikrofon wirkte allerdings etwas dämpfend. Schade konnte dies im Verlauf des Konzertes nicht behoben werden. Dennoch liessen sich die drei wenig davon beirren und zeigten eine sehr lebhafte Performance, wobei die Gitarre auch mal mit dem Mund bespielt wurde.

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Das eingespielte DJ Duo Stiglitz und Bernstein aus Luzern hat schon mehrere Male bewiesen, dass elektronische Klänge auch vor Einbruch der Dunkelheit tanzbar sind. Zu mehr als zaghaftem Hin-und-Her-Wippen kam es am gestrigen Abend jedoch nicht. Dies lag kaum an der bunten Palette zarter Töne, die über das gemächliche Sinnlicht-Areal erklangen. Die Tanzfläche wirkte schlicht und einfach etwas unbeseelt, da man sich scheinbar lieber plaudernd rundherum zu platzieren schien als inmitten.

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Aufzurütteln vermochte das Konglomerat aus Bern. Eldorado FM, die letzten Frühling mit ihrem neuen Album «Luke mir si di Vater» auch bei weniger bewanderten Hip-Hop-Hörern auf sich aufmerksam gemacht hatten, wurden für einmal von DJ Luk Le Chuck begleitet. So verschiedenartig die vier Rapper (Manilio, Desmond Dez, Tommy Vercetti und CBN) auch sein mögen, zusammen verschmolzen sie auch am gestrigen Abend zu einer Einheit. Dies auf eine völlig ungekünstelte Art und Weise. Das sass und riss mit – Pogo hier, Pogo da. Dass oftmals nur jedes fünfte Wort verstanden wurde, war Nebensache.

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Unterdessen machten One Sentence. Supervisor draussen auf der Hauptbühne «den Herbst tanzbar». Die düsteren Gitarrenmelodien fielen wunderbar mit dem energisch gespielten Schlagzeug zusammen. Der nuancierte, keineswegs aufdringliche Gesang komplettierte das klangliche Gesamtbild. Allerdings wurde auch hier zu leise abgemischt, was der ganzen Musik etwas Raum nahm. Bereits herausgegebene Lieder (unter anderem auf 3Fach und Orange Peel) wie auch neue musikalische Leckerbissen wurden dargeboten. Das Album «Temporär Musik», das die Band seit Februar sukzessive veröffentlicht, sollte im Dezember komplett sein. Dann lassen die vier Badener hoffentlich auch noch den Winter etwas tanzen. Die Aussenkonzerte bewegten sich nun langsam ihrem Ende zu und so war es an der Zeit sich für eine der fünf Innenbühnen zu entscheiden. Das Prizzi schien da nicht die erste Anlaufstelle zu sein. Viel Platz bot sich allerdings auch nicht und so entstand, kurz vor zwölf Uhr, ein familiäres Grüppchen an Publikum. Ob ein Konzert von Tobi Gmür um Mitternacht angesetzt werden sollte - darüber lässt sich streiten. Den Anwesenden schien die Darbietung des Luzerner Originals jedenfalls gut zu bekommen, zumal auch das Mikrofon anständig abgemischt war. Verstehen tut man momentan ohnehin viel bei Gmür. Auf seinem neusten Album «Sincerely T. Gmür» wird ausschliesslich in Dialekt gesungen. Entspannt konnte den Texten gelauscht werden. Der Gesang stach dabei klar heraus, untermalt von eingängigen Melodien.

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Pupkulies & Rebecca erinnerten sodann an die spätere Uhrzeit und liessen ihren leichten Chanson-House in der Schüür walten. Rebecca Blaul mit ihrer zarten Stimme – wie es sich für Chansons gehört, meist auf Französisch singend – komplettierte die sich oft gleichenden elektronischen Sequenzen und verlieh der Formation eine Prise Eigenheit.

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Mit Trinidad folgte ein Berner DJ-Trio, das sich ebenfalls im Bereich der House-Musik bewegt. E-Drums, Piano und E-Gitarre nuancierten die Beatzyklen. Mit ihrem Remix von L.A. (Jeans for Jesus) wurde zwischendurch auch mal für ein Ohrwurmfeeling gesorgt. Während des rund einstündigen Sets hob sich im Besonderen der Track «Flux» heraus. Dieses mit subtileren Klängen versehene Stück stammt von ihrer neusten EP. Wem die Produktionen von Daniel Snaith alias Caribou bekannt sind, vermochte hier einige Parallelen rauszuhören. Was sich am Nachmittag noch wie ein Festival anfühlte, ging zur späteren Stunde leider etwas verloren. Da sich der Besuch von mehr als zwei Bühnen meist komplizierter gestaltet als angenommen – insbesondere in einer Gruppe – wird oft am gleichen Ort verblieben. Dann unterscheidet sich der Abend nicht mehr stark von einem guten samstäglichen Ausgang. Abgesehen vom Eintrittspreis, der um einiges höher ausfällt. Ein etwas kleinerer Rahmen würde dem Charme des musikalisch doch sehr vielfältig ausfallenden Festivals sicherlich nicht schaden. In den Herbst entliess es einem jedoch auch dieses Jahr nicht unglücklich.