Déjà-vu à la Jazz

Südpol, 17.04.2014 : Zur Einstimmung der Ostertage gab’s eine jazzige Ehre: Rusconi bespielten im Rahmen ihrer Jubiläumstour die Bühne des Südpols. Eröffnet wurde von der lokalen Edelavantgarde-Formation Gloom. Und wieder erstaunten Publikumsreaktionen.

Vor noch nicht einmal einer Woche passierte ein wundersamer Moment im Südpol Luzern: Das Publikum sass, grösstenteils fern von Tanzgedanken, konzentriert im Raum und hörte sich das Konzert der Formation Benjamin Bucher/Manuel Troller/Andi Schnellmann/Mario Hänni an. Nahezu mucksmäuschenstill. Faszinierend, wenn man ansonsten mit Schaudern an die oftmalige Festzeltstimmung im Konzertrahmen denkt. Bei Jazzperformances ist das freilich zu differenzieren. Dort wird in der Regel grundsätzlich konzentriert zugehört. Wenn jedoch gleich zwei Formationen kommen, die in ihrem musikalischen Schaffen Pop integriert haben, darf durchaus wieder verglichen werden. Auch an jenem Abend mit den extrem geschickt programmierten Rusconi und Gloom hörten die Konzertbesucher nämlich zu… Aber in einem etwas anderen Stil.

Gloom: Poppige Impro  Gloom, ein Quartett um die Gitarristin und Sängerin Franziska Staubli, eröffneten mit ihrem avantgardistischen Klangkonstrukt. Musikalisch an Deerhoof erinnernd, gefallen Staubli und ihre Mitmusiker Fabio Pinto (Bass, Gitarre), Martin Perret (Schlagzeug) sowie Alessandro Hug (Synthesizer). Mal laut, mal leise, mal Englisch, mal Französisch, mal Deutsch: Es passiert viel im Kosmos dieser Band. Irgendwo zwischen Improvisationsmusik und intelligentem Experimental-Pop schwelgend, freut man sich bereits jetzt auf die angekündigten Resultate aus dem Studio. Ein wenig irritierend erschien in diesem Zusammenhang jedoch der Grossteil des Publikums. Da wurde nicht wirklich mitgelebt oder artikuliert. Eher ein stilles, fast schon kaltes «Dastehen» war die Reaktion, wenngleich der Applaus wohlwollend ausfiel. Irgendwie schien das «Berühren» an diesem Abend abgekühlt zu sein im Südpol – lag’s am klimatischen Temperatursturz?

Rusconi: Impro Pop Denn auch das in Zürich ansässige Trio Rusconi schien mit ähnlichen Problemen «zu kämpfen». Dabei muss man dieser Band nun wirklich nichts mehr vormachen. Seit zehn Jahren gehören Stefan Rusconi (Piano, Synth, Vocals, Space Echo & Sound Preparations), Fabian Gisler (Double Bass, Guitar, Vocals) und Claudio Strüby (Drums, Percussion, Vocals, Glockenspiel & Tape) zum Besten, was die europäische (wenn nicht sogar weltweite) Jazzszene zu bieten hat. Lustvolles Experimentieren und Ausprobieren, ohne dass der musikalische Aspekt vernachlässigt wird: Grossartig. Die Musiker nutzen ihr Umfeld wie einen Spielplatz: Sei es mit gezupften Klaviersaiten, den Wechseln an die Gitarre oder einem «Gastbeitrag» in Form des Abspielens einer Platte. Detail am Rande: Das ausgewählte Stück hiess «Ding Dang» und stammt vom Singer/Songwriter-Projekt My Brightest Diamond. Dessen Mastermind Shara Worden wird  am 23. Mai im Moods Zürich anlässlich des neuen Festivals «Apples & Olives» auftreten. Positive Schleichwerbung sozusagen, weil die neue Reihe Indie-, Jazz-, Rock- sowie Popmusik mit klassischer Musik verknüpfen will. Zusammengefasst ein genreübergreifender Musikmix. Was Rusconi wie schon angesprochen ebenfalls zelebrieren. Besonders gefallen hat an jenem Abend der «Berlin Blues» mit spannenden Harmonien aus der Pianistenhand und packendem Groove. Hierbei zeigte sich aber erneut, dass das Publikum A) entweder sehr konzentriert gewesen sein muss oder B) schlicht der Funke nicht ganz gesprungen ist. Erneut erschienen die Reaktionen ein wenig kühl. Hatte Stefan Rusconi vielleicht deshalb seinen Mantel das ganze Konzert hindurch an? Vielleicht passte die spezielle Stimmung aber auch zur Musik (nicht negativ interpretieren), welche teilweise an jene vom Esbjörn Svensson Trio erinnert. Und dieses stammte immerhin aus dem Norden…