David im Doppelpack

Südpol Luzern, 12.10.2018 / Luzerner Theater, 13.10.2018: Zwei Georgs für einen Bowie! Georg Bleikolm aka Knor zeigt im Südpol sein Stück «Planet – Looking for Major Tom» und für die Saisoneröffnung von Tanz Luzerner Theater choreografierte Georg Reischl sein Stück «Let's Bowie!»

Titelfoto: Gregory Batardon (zvg LT)

David Bowie: Inspirationsquelle. Mythos. Der Mann mit zwei Augenfarben. Geldmaschine. Die «Blackstar»-Band um Donny McCaslin und Jason Lindner dozierte letzte Woche am «generations»-Festival in Frauenfeld und wirbt mit solchen Posters:

Blackstar

Doch zurück nach Luzern: Georg Reischl ist seit 2016 Associate-Artist bei Tanz Luzerner Theater. Der gebürtige Österreicher ist eigentlich ein Raumkünstler; an seine furiose Globe-Choreografie «Tanz 22: Up/Beat» mit Vincent Glanzmann am Schlagzeug erinnert man sich gerne. Nun kommt er für einen Tripple-Bill-Abend zurück; neben seiner Choreografie «Let's Bowie!» werden auch «Twenty Eight Thousand Waves» und «Sortijas» vom katalanischen Choreografen Cayetano Soto gezeigt. Der Titel des Abends: «Tanz 28: New Waves»

Tanz-Direktorin Kathleen McNurney habe sich für ihre Jubiläumssaison ein Bühnenstück von Reischl gewünscht: «Das war meine einzige Bediungung.» Doch wie kommt Reischl darauf, acht Bowie-Hits für zeitgenössischem Tanz zu choreografien? «Ich will die Vielfalt feiern, unsere Gesellschaft braucht bunte Vögel, braucht David Bowies.» Die Stücke sind quasi ein persönliches Best-of von Bowies schaffen. Weder Remixes noch Überblendungen bekommt man zu Gehör, sondern einfach acht Songs. Darunter finden sich kommerzielle Schlager wie «Let's Dance» und «Changes», aber auch zwei instrumentale beinahe-Ambient-Tracks aus der Berlin-Trilogie (und Brian Eno als Produzent): «Moss Garden» (mit japanischer Koto, einem «banjo half asleep») und «Subterraneans» (zeitlos-hippe Elektronik). Für «Let's Bowie!» hat Reischl sechs der dreizehn Tänzer*innen eingesetzt. Eine heterogene Gruppe, alle kommen aus verschiedenen Ländern und haben unterschiedliche Backgrounds. Und alle brillieren.

«It's the day after Hauptprobe 1»

Noch drei Tage bis zur Premiere. Die dreistündige Probe wird dementsprechend für Feedbacks genutzt, Reischl holt auch Fragen und Anregungen bei der Kompagnie ab. Die Stimmung auf der Bühne im Luzerner Theater ist locker, aber hoch konzentriert. Er sucht Verspieltheit, Spass und Leichtigkeit: «It's too academic!» – «Ich brauche klarere Dynamik!» Zeitgenössischer Tanz muss nicht immer total ernst, mit versteinerten Gesichtern und bis in die letzte Faser angespannten Körpern sein. So ist Reischls Bewegungsrepertoire vielleicht ein Kontrast, sicher aber eine Ergänzung zu zeitgenössischer Tanzproduktion, wie man sie zu kennen glaubt.

Luzerner Theater
Foto: Gregory Batardon (zvg LT)

Let's dance

Wer kennt ihn nicht, den Discohit? Im Luzerner Theater bewegen sich drei Zweiergruppen wie selbstvergessene Partygänger über die Bühne, dann werden ihre Bewegungn keck bis sexy – «shower in the sound!»

Fashion

Man glaubt den Song zu kennen, aber durch den Tanz, das visuelle Moment, hört man plötzlich die Musik anders: Die ersten zehn Sekunden sind eigentlich völlig grotesk, bis endlich der Beat einsetzt – «macht alles, was ihr auf einem Laufsteg nicht machen solltet!»

Die Choreografie ist eine groteskte Laufsteg-Persiflage; Insta-Gesten und InTouch-Posen werden professionell auf die Sptze getrieben: Schlüsselbein versenken, Hände in die Hüften, Heidis Lachen mit offenem Mund, Luft zufächeln. Aus dem Lauthals-Lachen wird bei Reischl eine (schmerz)verzerrte Fratze. Das ironische daran: Dieses Repertoire von Posen ist ein Stück weit auch auf Bowie zurückzuführen, der für seine theatralisch-exaltierten Bühnenauftritte gefeiert wurde.

Auch die Bodybuildingästhetik kommt nicht zu kurz, das Breitbeinlaufen und Muskelnpumpen. Oft ist das Naheliegendste das Beste. Einmal fragt ein Tänzer: «Also gehe ich einfach wie eine Lady?» Reischl: «Ja, aber die Lady hat Koordinationsprobleme.»

Changes

Hier probt ein Tänzerduo den Ausbruch, da sind geballte Fäuste und geballte Lebensfreude, Optimismus und Empowerment.

(Zum laut Mitsingen!)

Schon verdammt guter Stoff, diese Bowie-Songs.

Szenenwechsel in den Südpol

Aus der kleinen Halle dröhnt es. Türe auf, drei Bühnen, drei Leinwände. Ein grosser weisser Ball hängt in der Mitte über dem Geschehen: Mal Mond, mal Wasser, mal Grosswetterlage, mal Ultraschallbild, mal Börsenindex, mal psychedelische Farbschlieren – vier Beamer projizieren, was das Zeug hält.

Mond

Auf den drei Bühnen stehen/liegen/sitzen: Steve Buchanan mit Saxophon und allerhand Pedalen, Nicolas Stocker mit Drumset und Georg Bleikolm mit Mikro, Synthie und goldenem Kimono. Das Setting ist reizvoll: Nebst der riesigen Kugel werden auch auf den drei Leinwänden hinter den Musikern die unterschiedlichsten Visuals sichtbar.

Georg Bleikolm

Das Trio sowie die Videokünstler Pascal Arnold und Moritz Flachsmann und Dramaturgin Lea Loeb verbringen im Südpol eine Residenzwoche. «Planet – Looking for Major Tom» wird in Luzern erstmals gezeigt; das Showing dient zur Vorbereitung einer Konzertphase im Januar 2019 im Zürcher Theater Gessnerallee.

Der Titel verweist auf eines von Bowies Alter Egos: Major Tom, der im All gestrandete Astronaut. Das war Georg Bleikolms Ausgangspunkt; musikalische Referenzen an Bowie hört im gut 45-minütigen Set nur mit viel Phantasie. Wo ist er denn, der Bowie-Bezug? «Er trug auch oft Kimonos», so Bleikolm.

Bowie Bleikolm
Hat was.


Melancholische Popsongs, treibende Schlagzeugsoli die mal durch Synthi-Motore angetrieben oder ausgebremst und mal durch Duo-Impro mit dem Saxophon gesteigert werden, illustrieren das narrative Gerüst. Bleikolm reist von Planet zu Planet (das hat was von Antoine de Saint-Exupérys «Le petit prince»), steht aber eigentlich immer zwischen in der Badewanne oder vor dem Badezimmerspiegel.

Doch sie funktioniert, diese multimediale Konzertinstallation. Man fühlt sich zwischen all den fliegenden Monden wie in einem Viedoclip, die Bilder reichen von ernst über poetisch bis hin zu leichfüssig. Einmal fliegen Ananas und Smiley-Pillen durch den Raum, dann wieder breiten sich Eiswüsten und Einöden aus.

Georg Bleikolm

Zwei Bowie-Stücke, zwei komplett unterschiedliche Ausdrucksformen. Aber: David Bowie ist und bleibt eine starke Inspirationsquelle für allerhand künstlerischen Output. Sehenswert sind beide Georgs gleichermassen.

«Let's Bowie!»
Ab SA 13. Oktober
Luzerner Theater
Weitere Infos und Ticketreservationen zu «Tanz 28: New Waves»

«Planet – Looking for Major Tom» Showing
FR 12. Oktober, 18 Uhr
Südpol, kleine Halle
Weitere Infos zu «Planet – Looking for Major Tom»