Das Los der Sandwichkinder

Die schwindende Solidarität unter den Gemeinden zeigt auf: Die regionale Kulturförderung ist nicht nur komplex, sondern auch äusserst fragil.

Mit den Kulturhäusern im Kanton Luzern ist es ein bisschen wie in einer kinderreichen Familie: Da gibt es einmal die Grossen, namentlich das KKL, das Luzerner Theater, das Luzerner Sinfonieorchester, das Kunstmuseum und das Verkehrshaus. Wie bei Erstgeborenen wird diesen stets besondere Aufmerksamkeit zuteil und die Eltern erzählen gerne und oft, was sie alles können. Auch in einem aktuellen Sorgerechtskonflikt (zwischen Kanton und Stadt Luzern) konnte eine Lösung für die Stammhalter gefunden werden.

Weiter gibt es die Kleinen: lokale Kulturräume und Vereine. Die müssen sich oft viel weniger stark anstrengen als ihre älteren Geschwister. Sie sind aber auch genügsamer, die Bindung zu den Eltern (in ihrem Fall wären das die Gemeinden) ist eng. Und auch der Kanton findet sie häufig irgendwie herzig.

Schliesslich gibt es noch die dazwischen, die Sandwichkinder unter den Kulturinstitutionen. Diese laufen Gefahr, zwischen Gross und Klein vergessen zu gehen und weniger Zuwendung zu bekommen als ihre Geschwister. In einer solchen Sandwichposition finden sich im Kanton Luzern derzeit die Kulturhäuser und Organisationen von regionaler Bedeutung. Dazu gehören also beispielsweise der Südpol, das Kleintheater Luzern, das Museum im Bellpark Kriens, der akku Emmen, das Forum Neue Musik Luzern, das Festival woerdz oder die IG Kultur Luzern. Im Jahr 2021 haben diese und etwa 15 weitere Institutionen rund eine halbe Million Franken an Kulturförderung von der Regionalkonferenz Kultur (RKK) erhalten. Nun bangen sie darum, solche Mittel auch weiterhin zu erhalten.

Sechs Gemeinden bereits ausgetreten
Um das nicht ganz einfache System der regionalen Kulturförderung im Kanton Luzern zu verstehen, muss man in das Jahr 2008 zurückblicken. Damals wurden die Gemeinden in der Region Luzern vom Kanton bei der Finanzierung der Grossen finanziell entlastet (um rund 2 Millionen Franken). Über die RKK haben die Gemeinden im Gegenzug die Aufgabe der regionalen Kulturförderung – sowohl von Strukturen wie auch von Projekten – übernommen.

Für die Förderung der Kulturinstitutionen wurden damals neu von den Gemeinden via RKK rund 580 000 Franken aufgewendet. Was als «Paradebeispiel für gemeindeübergreifende Zusammenarbeit» begann, hat in der Zwischenzeit gezeigt, wie schnell Solidarität schwinden kann. So sind statt 16 Luzerner Gemeinden heute nur noch zehn an der Finanzierung der RKK beteiligt. Nicht mehr dabei sind Ebikon, Buchrain, Root, Greppen, Adligen- und Udligenswil.

Im März 2020 hat der Kanton seine Vorschläge zur Weiterentwicklung der regionalen Kulturförderung in die Vernehmlassung gegeben. Dazu gehörte, die Unterstützung der Gemeinden für regionale bedeutende Kulturprojekte durch einen gleich hohen finanziellen Beitrag des Kantons zu stärken (über die regionalen Förderfonds). Eine Unterstützung der regionalen Strukturen sah der Kanton jedoch nicht vor.

Vor diesem Hintergrund wurde im Mai 2020 im Kantonsrat ein Postulat von Seiten der SP-Fraktion eingereicht. Darin wird vom Kanton gefordert, die Gemeinden für eine langfristige und verlässliche regionale Kulturförderung zu verpflichten und selbst finanzielle Beiträge für regionale Kulturinstitutionen zu leisten. Das Bildungs- und Kulturdepartement beantragte die Ablehnung des Postulates. Die Begründung: Regionale Kulturförderung sei Gemeindeaufgabe und eine Beteiligung des Kantons würde zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Regionen führen.

Auf Sparflamme
Im Grossen Rat wurde das Postulat dann im Juni 2020 diskutiert. Die Linken waren dafür, die Mitte wollte keine Finanzierung durch den Kanton, hätte es aber gut gefunden, wenn sich die Gemeinden zu einer regionalen Kulturförderung verpflichtet hätten. Anders als im Postulat gefordert, ist es aber nicht der Kanton, der hier verpflichten soll, sondern es sind die Gemeinden selbst. Die FDP lehnte das Postulat ab. Stattdessen kam ihr das in den Sinn, was der FDP gerne in den Sinn kommt, wenn ihr nichts Besseres einfällt: eine Public-Private Partnership, also ein Modell, bei dem öffentliche Hand und Private zusammenspannen sollen. Nach der Abstimmung wurde das Postulat schliesslich für «teilweise erheblich» erklärt.

Ausgehend davon laufen derzeit weiterführende Abklärungen in einer Arbeitsgruppe zur Strukturförderung unter Führung des Kantons. Eine Botschaft zum neuen Fördermodell will die Regierung dem Kantonsrat im zweiten Halbjahr 2022 vorlegen.

Während für die Strukturen der Sandwichkinder bisher also noch nicht geklärt ist, wie es weitergehen soll (und im Jahr 2022 erstmals der Beitrag von Ebikon von rund 70 000 Franken wegfallen wird), gibt es immerhin eine Übergangslösung für die Projektförderung. So wurde Anfang November 2021 bekannt gegeben, dass sechs Gemeinden, die aus der RKK ausgetreten sind, im Jahr 2022 regionale Projekte mitfördern werden. Sie machen dies aber nicht über die RKK, sondern über den regionalen Entwicklungsträger LuzernPlus, bei dem diese Gemeinden noch Mitglied sind. LuzernPlus spricht dabei von einer «schlanken Alternative zur Mitgliedschaft bei der RKK, deren Mitglieder zusätzlich Strukturförderung mitfinanzieren». Das klingt fast schon nach einer Werbung für sparsame Gemeinden.

Es bleibt zu hoffen, dass für die Strukturförderung schnell eine Lösung gefunden wird. Denn auch Sandwichkinder brauchen verlässliche Unterstützung. Und schliesslich macht der Belag das Sandwich aus.


Text: Christof Schwenkel
Illustration: Selina Bächli

041 – Das Kulturmagazin im Januar 01/2022.

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