Christov Rolla zur Blue-Balls-Debatte: «Es war kein politisches Spiel»

Die SVP möchte, dass die Stadt Luzern Gespräche über die finanzielle Unterstützung des Blue Balls Festivals wieder aufnimmt, die Linken blockieren den Vorstoss. Verkehrte Welt? Christov Rolla, Grossstadtrat der Grünen, klärt auf.

Bild: zVg

Diesen Artikel gibt's in unserer Märzausgabe zu lesen. Jetzt 041 – Das Kulturmagazin abonnieren!

Das Blue Balls Festival rief nach der Ausgabe 2019 öffentlichkeitswirksam um finanzielle Hilfe. Nach anfänglichem Austausch über ein Stiftungsmodell hat der Luzerner Stadtrat die Gespräche mit Blue-Balls-Leiter Urs Leierer im Herbst 2019 abgebrochen. Man wolle die Leistungsvereinbarung bis 2022 erfüllen, hiess es damals. Das bedeutet: 130 000 Franken Unterstützung plus unentgeltliche Nutzungsrechte für das KKL und den öffentlichen Grund um das Seebecken. Nun sprangen Politiker der SVP dem Festival zur Seite und wollten die abgebrochene Diskussion neu aufnehmen – die Ratslinke hat den Vorstoss abgeschmettert. Wir haben über die Causa mit Christov Rolla gesprochen, der als Grossstadtrat die Grüne Fraktion in diesem Geschäft vertreten hat.

Christov Rolla, die Rechte pocht auf Kulturförderung und die Linke tritt auf die Bremse – was ist das los?

Ja, ein kulturfreundlicher Vorstoss seitens der SVP bringt einen zum Schmunzeln. Dass das Anliegen von rechts kam, war aber selbstverständlich nicht der Grund, warum wir es ablehnten; das war kein politisches Spiel. Im Grundsatz sind wir mit unserer Argumentation dem Stadtrat gefolgt.

«Wir sollten Kulturförderung ganzheitlicher anschauen.»

Dort führt man rechtlich-formale Gründe gegen die Motion auf. Können Sie Ihre Bedenken ausführen?

Einerseits ist für uns ein Planungsbericht, zumal in der gegenwärtigen Situation, das falsche Instrument. Anderseits finde ich es problematisch, wenn einzelne Parteien für einzelne Institutionen Vorstösse machen – das würde zu einer Klientelpolitik führen und das Kulturgefüge in eine Schräglage bringen.

Wir sollten Kulturförderung ganzheitlicher anschauen. Wenn man dann sieht, dass mit den geltenden Vereinbarungen jemand zu wenig Geld erhält, kann man reagieren. Gilt zu sagen: Gegenwärtig erachten wir die Unterstützung des Blue Ball Festi vals seitens der Stadt in der jetzigen Form als ausreichend.

Das heisst, die Grünen würden die Motion auch ablehnen, hätte sie das B-Sides Festival oder das Neubad besserstellen wollen?

Man muss jedes Geschäft einzeln im Kontext prüfen, aber grundsätzlich müssten wir Vorstösse in dieser Form auch für andere Institutionen ablehnen, ja. Es ist nicht die Aufgabe der Stadt, einzelne Festivals oder Institutionen zu retten. Die öffentliche Hand erfüllt fixe Vereinbarungen, zudem erhält die Kultur Gelder aus dem Fuka-Fonds und dem Fonds Kultur und Sport – aber eine Defizitgarantie für alle kann die Stadt nicht ausstellen.

«Das mag finanzpolitisch bürgerlich wirken.»

Das klingt nach einer bürgerlichen Argumentation.

Das mag finanzpolitisch bürgerlich wirken, aber das hat auch demokratische Gründe. Wir stehen immer ein für die Anliegen der Kultur. Aber man muss halt auch die finanzielle Realität sehen – ich denke an die Folgen von Corona oder der vom Kanton verfügten Ausgaben- und Finanzreform. Da kommen noch einige Herausforderungen auf die Stadt zu.

Man kritisiert oft die teuren Konzerte im KKL – doch das Blue Balls ist ja viel mehr als das, eigentlich fast schon ein Volksfest. Das Festival bietet ein niederschwelliges Kulturangebot für die breite Bevölkerung, auch über das typische Kulturpublikum hinaus. Ohne öffentliche Förderung wird eher das Gratis- Angebot verschwinden als die teuren Konzerte. Wäre das kein Verlust für die Stadt?

Es ist ja keine Rede davon, die öffentliche Förderung zu kürzen oder gar zu beenden. Wenn das Blue Balls nun aber die Gratis-Konzerte streichen würde, so wäre das sicherlich ein Verlust und kulturpolitisch fragwürdig. Aber die Frage ist komplex: Einerseits ist ein niederschwelliger Zugang zu Kultur positiv. Entsprechend tun auch lokale Veranstalterinnen und Veranstalter viel, um auch Menschen mit tiefem Einkommen den Einlass zu Kulturveranstaltungen zu ermöglichen – über die Kulturlegi etwa.

«Wenn die Musik plötzlich als kostenlose Selbstverständlichkeit mit Geselligkeit und Bierbuden konkurriert, erhält der Ausdruck ‹Kulturveranstaltung› vielleicht eine etwas gar ausgeweitete Bedeutung.»

Anderseits darf man sicher die Frage stellen, wie viele Menschen, die sich während des Blue Balls am Quai tummeln, wegen der Musik dort sind. Es spricht natürlich nichts dagegen, Musik nebenbei zu erleben. Aber wenn die Musik plötzlich als kostenlose Selbstverständlichkeit mit Geselligkeit und Bierbuden konkurriert, erhält der Ausdruck «Kulturveranstaltung» vielleicht eine etwas gar ausgeweitete Bedeutung.

Aber offenbar ist das Festival beliebt beim städtischen Publikum.

Ich bin nicht oft am Blue Balls – berufsbedingt fällt das Festival in meine Ferienzeit. Wenn ich aber mal da bin, treffe ich viele Leute aus dem Seetal oder dem Hinterland – die Städterinnen und Städter aus meinem Umfeld gehen dem Event offenbar eher aus dem Weg. Man könnte also argumentieren, als Event mit überregionaler Ausstrahlung könnte das Blue Balls auch den Kanton in die finanzielle Pflicht nehmen. Die Kantonsregierung möchte ja gerne mehr Einfluss nehmen in der Stadt – so könnten sie das bei diesem Festival tun.

«Die Kantonsregierung möchte ja gerne mehr Einfluss nehmen in der Stadt – so könnten sie das bei diesem Festival tun.»

Die Grünen stellen sich auf den Standpunkt, die Unterstützung seitens der Stadt sei ausreichend. Würde es etwas ändern, wenn das Festival regionaler würde, wenn die lokale Musikszene eine grössere Rolle spielen würde?

Wir begrüssen es natürlich immer, wenn ein solcher Anlass regionaler wird in Sachen Organisation und ökologischer Nachhaltigkeit. Künstlerisch ist der Austausch mit internationalen Kunstschaffenden aber sinnvoll und wichtig. Das sind aber persönliche Vorlieben, bezogen auf die Förderung macht die Stadt den Verantwortlichen meines Wissens zum Glück keine Vorgaben bezüglich des Programms – da gilt die künstlerische Freiheit.

«Die Diskussionen über das Defizit des Blue Balls gehen  weiter zurück als die Pandemie, deshalb müssten wir die Vereinbarung unabhängig davon diskutieren.»

Könnte die Corona-Pandemie noch etwas ändern an der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Blue Balls? Schliesslich fiel 2020 ins Wasser, 2021 wird sehr schwierig – die finanzielle Situation ist sicher nicht besser geworden für das Festival.

Die Auswirkungen der Pandemie und die ständige Leistungsvereinbarung sind zwei Dinge. Die Stadt hat Schritte unternommen, um die Folgen für Betroffene zu lindern, auch in der Kultur: Die beiden Fonds zahlen weiter Gelder aus, Mieten wurden reduziert und die Ausfälle bei der Billettsteuer werden aus der laufenden Rechnung kompensiert. Zudem wurden feste Vereinbarungen bislang weiterhin erfüllt, selbst wenn die Veranstaltung abgesagt werden musste. Die Diskussionen über das Defizit des Blue Balls gehen jedoch weiter zurück als die Pandemie, deshalb müssten wir die Vereinbarung unabhängig davon diskutieren – und zuerst müssen wir wohl abwarten, wie sich die Situation nach dem Sommer darstellt.

Blue Balls Festival
FR 23. bis SA 31. Juli
Diverse Orte, Luzern