«Bier, Pizza und der neueste Tarantino»

Das aktuelle Stück von Fetter Vetter & Oma Hommage ist noch bis Mitte September im Alten Krematorium zu sehen. «Apocalypse Now (And I Feel Fine)» übt Gesellschaftskritik – die leider ihre Schlagkraft verfehlt.

Es regnet in Strömen, das Publikum sitzt in knisternd nassen Pelerinen auf der Tribüne. Vor ihnen ein leeres Wasserbecken, in das die steten Regentropfen fallen, die es langsam füllen, vermutlich aber nie auffüllen werden. Es dämmert, das Alte Krematorium thront im Hintergrund, als ob es seinerseits dem Theaterstück aufmerksam beiwohnen würde, das Damiàn Dlaboha (Regie) und Christoph Fellmann (Text) in Kooperation mit dem Kleintheater erarbeitet haben.

Vor diesem sinnentleerten Becken versammeln sich die Protagonisten – auf der Flucht vor dem Weltuntergang, der naht oder vielleicht schon längst da ist. Hier begegnen sie sich, beginnen zu erzählen, über sich, das eigene Leben, teilen Erinnerungen und Errungenschaften. Jene Errungenschaften, die womöglich zum Weltuntergang geführt haben. Denn die Charaktere, gespielt von Christoph Künzler, Matthias Kurmann und Stefan Schönholzer, verkörpern historische Figuren, die im Verlauf des Stückes variieren. Darunter etwa Charlie, der Anfang des 20. Jahrhunderts den elektrischen Anlasser erfand und damit zur Verbreitung der Verbrennungsmotoren beitrug. Oder Louis, der während des Zweiten Weltkriegs am Manhattan Project beteiligt war und den Zündmechanismus der ersten Atombombe entwickelte. Während dieser einseitigen Dialoge verkennen die männlichen Protagonisten die gravierende Situation der nahenden Umweltkatastrophe oder des längst eingetretenen Kollapses. Stattdessen changieren ihre Dialoge um das eigene Sein, die eigene Identität, die eng mit ihren Errungenschaften verknüpft ist.

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Und es geht auch um Pizza. Denn irgendwas müssen diese Männer doch erschaffen, um die umgebende Leere wieder mit Sinn zu füllen. So wird die Herstellung einer Pizza zum deklarierten Ziel, die aus dem Nichts geschaffen werden soll, wie es Pygmalion mit seiner Frau tat. Tomaten und Oregano müssen angebaut, die Ziege für den Mozzarella gemolken werden. Und auf einmal scheint die Apokalypse gar nicht so übel; sie ist Null- und Anfangspunkt zugleich, während die Protagonisten Chips aus der Packung und Cola aus der Dose konsumieren. Die Absurdität wird gesteigert, als Julia und Romeo auf der Bühne erscheinen, gespielt von Miriam Japp und Manuel Kühne. Im Gegensatz zu den anderen wollen sie nicht überdauern oder erinnert werden, sondern nach jahrhundertelanger Rezeption endlich sterben.

©Marco Sieber

Der gescheiterte Mann
«Apocalypse Now (And I Feel Fine)» ist gesellschaftskritisch, bringt Themen wie Klimakrise und Kapitalismus zur Sprache sowie ausbeuterische Machtstrukturen, die alles vereinnahmen und zur Warenkette verkommen lassen. Dabei gelangen auch Vorstellungen von Männlichkeit auf die Bühne, die – so die Annahme – hier kritisch verhandelt werden sollen. So etwa der Drang des männlichen Schöpfers, der inmitten der Apokalypse etwas mit seinen blossen Händen zu erschaffen versucht – und sei es nur diese eine Pizza. Oder der Mann, der einen Monolog über seine Errungenschaften führt, über das Bruttoinlandprodukt, das er dank seines Genies berechnete – leider ohne die Sorgearbeit seiner Frau zu berücksichtigen. Diese Geschichte schildert Willie, mit nervösem Lachen und Krawatten um den Kopf gebunden. Die kritische Haltung gegenüber Männlichkeiten ist angelegt und scheitert sogleich, weil sie oberflächlich ist und mit einer komikhaften Figur auf die Bühne gebracht wird. So verkommt sie zur Parodie, was nicht zuletzt durch die Protagonistin Julia deutlich wird. Als einzige Frau in diesem Theaterstück existiert sie lediglich in Relation zu ihrem Romeo, mit dem sie ihre jahrhundertelange Beziehung verhandelt. Julia wird als stereotyp weibliche Figur inszeniert, die im Wunsch nach ewiger Liebe und Muttersein schwelgt, während sie einen roten Ball unter ihr langes Kleid stülpt. Und als sie mit Romeo Schluss macht, eine mögliche Entwicklung ihres Charakters angedeutet wird, die sich jenseits von Geschlechterklischees bewegen könnte, verschwindet sie von der Bühne. Was bleibt, sind die Protagonisten, die trinkend und rauchend am gedeckten Tisch sitzen – zufrieden mit Bier, Pizza und «dem neuesten Tarantino», wie sie sich das kleine Glück eingestehen. So stellt man sich die apokalyptische Männerrunde vor.

©marcosieber

«Apocalypse Now (And I Feel Fine)»
bis SA 18. September
Altes Krematorium, Luzern

Bilder: © Marco Sieber