AW:Re:AW: – «Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent»

Willkommen auf Kulturteil – dies, liebe Leserin, lieber Leser, ist der Startschuss. Es handelt sich um einen gekürzten Auszug aus unserem Redaktionsinternen E-Mail-Verkehr. Mit dem Ziel, eine originelle Idee zu erzwingen... doch lesen Sie selbst. Von Pablo Haller, Nina Laky, Andrea Portmann, Jonas Wydler und Stefan Zihlmann

Jonas: Geschätzte Kulturteil-Redaktion, angesichts des Starts von Kulturteil sollten wir eine originelle Idee haben für den ersten Post. Was haltet ihr davon: Die Buchstaben K, U, L, T, U, R, T, E, I und L als Mailänderli backen, fotografieren und auf den Blog stellen.

Nina: He ihr da, ich weiss ja nicht, wie das bei euch aussieht, aber ich hab ja meine Guetsli schon gebacken. Drum nix mehr da vom Mailänderliteig. Brunsli sind eh besser! Eure Nina

Pablo: Meine Lieben! Da die Bowle mit Marktpotential für Weihnachtsspielereien in dieser Zeit so ziemlich am überlaufen ist, würd ich eher was in die multikulturelle Richtung vorschlagen. Wie wär’s mit einer Riesenpfanne Charojses, mit deren Inhalt wir «Kulturteil» auf Kristallglas schreiben? Oder nem Govardhana-Kuchen mit den Buchstaben als Glasur? Als weitere Möglichkeit könnte man auch das Einbrennen des Blog-Logos in den Schnee mit Hilfe von Bombay-Saphiren oder Reinethanol in Betracht ziehen. Oder wir fackeln einfach einen Christbaum ab, so als destruktiv-misanthropisch-nihilistisches Manifest gegen die Erlösung durch ein kleines Kind mit blondgelocktem Haar. P the H

Jonas: Also echt, Brunsli und Bombay-Saphire in Ehren, das ist doch alles unrealistisch. Wie wär's mit einer durch Glühwein begleiteten Gedenkveranstaltung in der Weihnachtsnacht auf der eben gesperrten und schon bald abgerissenen Langensand-Brückenhälfte. Mit Webcam-Übertragung durch Kulturteil.ch. Ich meine: Wie viele arg torkelnde aber immer schöne Momente frühmorgens haben wir schon auf dieser ehrwürdigen, an den kalten Krieg gemahnenden Brücke erlebt?

Pablo: Am 24. Dezember vor exakt 29 Jahren starb der grosse Vorsitzende der APO, Rudi Dutschke. Wie wär’s mit ner Dutschke-Gedenkveranstaltung auf diesem ehrwürdigen Monument des noch kälter gewordenen Krieges? Ich würd die Einladungen verschicken, z.B. an Christian «wir machen das klar» Klar oder Inge «ich trag trotz allem imperialistische Markenschuhe» Viett. Unsere Lokalpolitikerin Frau U. S. aus A. könnte die Festrede halten. Was meint ihr? Nastrovje Towarisch!

Nina: Meine lieben Damen und Herren, wie ihr wisst, bin ich ein sehr unpolitischer Mensch. Somit würd ich zur DDR-Nostalgie schweigen und mich dem Glühwein und anderen Flüssigkeiten widmen. Wir haben übrigens zuhause die Gschenkli amigs um Punkt 23 Uhr geöffnet und ausprobiert. Dieses Jahr bekomme ich eine Perücke zum heiligen Fest. Ihr so? Oh du Seelige: Nina

Jonas: Eine Perücke? Ich dachte, wir bekommen alle einen Reporterhut, dazu schöne Notizblöcke und Aufnahmegeräte. Denn um bei Kulturteil dabei zu sein, braucht es neben Stilsicherheit, Nachtaktivität und Trinkfestigkeit schon einiges an Ausrüstung. Nicht zu vergessen das Fotostativ. Ich übe übrigens schon fleissig den einsamen Blogger mit Laptop im Starbucks sitzend. Wisst ihr schon, wie das geht? Oh du Fröhliche: Jonas

Stefan: ...

Nina: Liebe Reporter, eine Perücke finde ich natürlich auch schüli wichtig. So kann man verdeckt ermitteln und wird nach der Kritik nicht gleich gesteinigt. Das war mein Gedanke hinter der Perücke. Aber AUF die Perücke kann man natürlich ganz einfach einen Reporterhut setzen, das schliesst sich ja gegenseitig nicht aus. Du sitzt also im Starbucks, lieber Jonas. Magst du den «big X-mas-Kaffee» mit Himbeer, Zimt, Schoggi und schön viel Milchschaum auch so gerne wie die Damen, welche dort in ihren pinkigen Oberteilen sitzen?Proscht, Nina

Andrea: Erlauchte Damen und Herren der kritischen Schreibkunst. Also, eine Perücke habe ich schon, nicht eine richtige, aber eine echte. Viele meinen aber, es sei eine Perücke. Drum kann es des Öfteren vorkommen, dass Menschen (in alkoholisiertem Zustand, mit Sehstörungen oder Perücke) mir in die Haare greifen, weil sie nicht glauben, dass das, was mir aus dem Kopf wächst, echt ist. Je nach Perücke oder Perücke im übertragenen Sinn wird es übrigens schwierig, einen Reporterhut darüber zu streifen, weil die Haare den Hut abstossen wie Wasser das Öl. Meine Tarnstrategie sieht also folgendermassen aus: sich möglichst unauffällig unter die Leute mischen und so tun, als wäre das, was man auf dem Kopf hat, eine Selbstverständlichkeit.

Da sticht mir nochmals Jonas’ Vorschlag mit dem Mailänderliteig ins Auge (siehe auch: etwas kann ins Auge gehen). Ich glaube nämlich (ich glaube, also bin ich), dass Jonas seinen Vorschlag aus dem Tiptopf hat... seht selbst (rote Pfeile):

Pablo: Liebe Brüder, Schwestern & sonstige Gläubiger. Beiliegend mein 23-Punkte-Programm an Heiligabend: 

  1. Weshalb verstecken (Perücke-Schlapphut-etc)? Martin Walser («Tod eines Kritikers») brauchen wir wohl nicht mehr zu fürchten.
  2. Für die Fasnacht können Mann und Frau Punkt 1 relativ relativieren und sich mit Aufklebbart, Perücken & sonstigen Requisiten als Gatsby, Hemingway oder Hunter S. Thompson verkleiden (und sich selbstverständlich auch so aufführen... bitte dann einfach die Flyer der Konkurrenz benutzen).
  3. Starbucks ist ein McWorld-mässig Ami-imperialistisches Symbol des aggressiven Expansionskriegs eines globalisierten Casino-Kapitalismus (und überteuert dazu).
  4. Werd ich jetzt ne Facebookgruppe gründen und alle meine 800 Freunde einladen. ... 

23. Das war’s! À toute! Frohes Fest! (alles wird vorübergehn)

Nina: Starbucks-Bashing ist mir zu kommerziell. Was machen wir heute?

Stefan: Weihnachten ist keine verschachtelte Text-Kaskade und auch kein Nudistentanz um den Weihnachtsbaum. Wir Haben die Feste, die wir verdienen. Was mir viel mehr zu schaffen macht, ist die verdammte Gute-Laune-Weihnachtsstimmung. Wo ist sie? Gemütlichkeit und gute Laune, ich geh dich jetzt mal suchen. Wahrscheinlich werd ich dich in diesem Jahr nicht mehr finden. Wenigstens werd ich bis dahin satt sein...

Jonas: Genau, lasst und Starbucks nicht bashen, lasst uns Freude und Glanz verstrahlen, lasst und Martin Walser genauso lieben wie den Mailänderliteig und die neue Langensandbrücke. Ich finde, wir starten jetzt mit Kulturteil, nicht ohne den getarnten Reporter ebenso wie den einsamen Blogger im Hinterkopf. Und schliessen mit J. W. Goethes Worten:

Da hatt ich einen Kerl zu Gast, Er war mir eben nicht zur Last; Ich hatt just mein gewöhnlich Essen, Hat sich der Kerl pumpsatt gefressen, Zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt’. Und kaum ist mir der Kerl so satt, Tut ihn der Teufel zum Nachbar führen, Über mein Essen zu räsonieren: «Die Supp hätt können gewürzter sein, Der Braten brauner, firner der Wein.» Der Tausendsakerment! Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.

Alle (im Chor singend): Viel Vergnügen und Lesespass mit Kulturteil!