Auf Kunstreise

S 5, Luzern-Giswil, 12.9.2020: Judith Huber und Angela Hausheer organisieren im Rahmen ihres Kunstprojekts «ZUSAMMEN - zwischen uns und überhaupt» einen Ausflug. Da gehen wir mit.

Treffpunkt ist um elf Uhr am Kopf von Gleis 14. Das Wetter stimmt, die Aufmachung auch, selbst die Lautstärke im Zug zeigt: Wir machen zusammen einen Ausflug. Elf «Leute, die gerne Performance schauen und gerne darüber schreiben», gehen ans International Performance Art Giswil, das dieses Jahr den Titel «ZÄMÄ TOGETHER» trägt.

Organisiert haben den Ausflug die zwei Performance-Künstlerinnen Judith Huber und Angela Hausheer im Rahmen ihres Projektes «ZUSAMMEN zwischen uns und überhaupt». Auf Einladung des o.T. Raum für aktuelle Kunst und PTTH:// bespielen sie vom 29. August bis zum 19. September den Kunstpavillon an der Sälistrasse 24. In diesem Prozess gehen sie künstlerisch-experimentell Fragen nach, wie: Was kann «zusammen etwas tun» wörtlich bedeuten? Was verbindet, führt und hält zusammen? Welche Handlungen und Aktivitäten treten dabei zu Tage? Wie zeigen sie sich? Und wie lassen sich Prozesse der Performancekunst festhalten und sichtbar machen?

Zwei Tage vor dem Ausflug erzählen sie mir, dass die Idee für das gemeinsame Projekt 2017 beim «zusammen kochen» entstand, wo sie ihre beiden Kochschürzen miteinander verknüpften und symbiotisch siamesischen Zwillingen gleich den Gästen das Mahl bereiteten. Auch kulturhistorisch betrachtet, gilt das gemeinsame Kochen, die Gast- und die Mahlgemeinschaft als Ursprung von Gesellschaften.

ZUSAMMEN einen Ausflug machen

Den Auftakt machte die Performance «ZUSAMMEN einen Anfang machen» am «Kunsthoch Luzern» vom 29. August. Die Künstlerinnen verbanden sich mit einem Seil und zogen wie in einem Fadenspiel Linien, Kreise und Konfigurationen.

Stets mit von der Partie ist der Fotograf Ralph Kühne. So wird die Frage behandelt, wie sich sich Performance und Fotografie zueinander verhalten. Lässt sich die Hierarchie zwischen Subjekt und Objekt – die Künstlerinnen als Objekt des Fotografen, der Fotograf als Instrument der Künstlerinnen – überwinden? Wie überhaupt auf Augenhöhe zusammenarbeiten?

Judith Huber sagt, dass sie zwar meist als Einzelkünstlerin unterwegs ist, aber schon immer daran interessiert war, Plattformen zu kreieren und Netzwerke zu bilden. Angela Hausheer hingegen kommt vom Theater. Die Bewegung weg von der festen Organisationform des Ensembles hin zur Einzelkünstlerin empfand sie, wie sie sagt, als Befreiung. Von dort aus bewegte sie sich dann zu anderen, offeneren und womöglich zeitlich begrenzten Kollaborationsformen.

ZUSAMMEN einen Ausflug machen

Die Performance-Kunst, gerade in ihren noch nicht institutionell verfestigten Anfängen und mit ihrer kritischen Befragung der Beziehung zwischen Akteur*in und Zuschauer*in, zeichnete sich schon immer mit ihrer starken Tendenz zu kollektivem Arbeiten und kollaborativen Netzwerken aus. Doch bereits das Bild des modernen Künstlers [maskuline Form intendiert] als starkes Individuum und einsames Genie erweist sich angesichts der Kunst-Zirkel, Bohème-Szenen und Kultur-Kuchen als (selbst-)betrügerisches (Gender-)Klischee.

Vom Publikum erhielten Judith Huber und Angela Hausheer immer viel Resonanz auf ihre Projekte. Die Menschen seien unmittelbar «berührt» und offenbarten ein grosses Bedürfnis nach Zusammensein. Andererseits gab es bisher noch wenig Medienpräsenz. Was mit der Performance als etwas Flüchtiges und Einmaliges zu tun haben könnte, das eines Mit-seins und Zusammen-Da-seins bedarf. Aber auch mit der gegenwärtigen Medienlandschaft und den finanziellen Mitteln, die in den Kulturjournalismus und in die Kunstkritik fliessen.

ZUSAMMEN einen Ausflug machen

Wie aber liesse sich die flüchtige Erfahrung der einmaligen Performance festhalten und reflektieren? Und wie liesse sich das kunstkritische Schreiben über Performance fördern und ausweiten? Darum wird es am 17. September in der Veranstaltung «ZUSAMMEN schreiben» über «ZÄMÄ TOGETHER» und dem anschliessenden «ZUSAMMEN lesen» gehen.

Unser Zugabteil diskutiert gerade über die herausfordernde Arbeit im Kollektiv und den hinderlichen Wunsch nach Autorschaft, als wir in Giswil ankommen. Nach dem obligaten Gruppenfoto empfängt uns die Kuratorin und Organisatorin des Performance-Festivals Andrea Saemann. Sie gibt einige allgemeine Infos und führt in der Folge den Spaziergang zur Turbinenhalle an.

Wir gehen entlang der Laui, erspähen die erste Performance-Künstlerin, die wie ein Fischreiher beinahe regungslos im Fluss steht, und kommen schliesslich bei der Turbinenhalle an, die sich an der Aa in den Hang des Hügels schmiegt. Dort hält der Gemeindepräsident von Giswil eine kurze Rede, in der er die Fragen stellt: Wie können wir zusammen mit Corona leben? Das Klima abkühlen? Und in Frieden leben?

Welche Antworten die eingeladenen Künstler*innen nahelegen, wie gut ihre Performances gelingen und mit welchen gemischten Gefühlen der Ausflug zu Ende geht – Fortsetzung folgt.

Judith Huber und Angela Hausheer: ZUSAMMEN - zwischen uns und überhaupt
Bis SA 19. September
Kunstpavillon, Luzern