Anti-Blablaismus

Neubad, Luzern, 15.02.2020: Die Innerschweiz sucht ihre*n besten Slammer*in. Dafür wird der Pool des Neubads gefüllt mit kuriosen Geschichten, (Liebes-)Gedichten, urkomischen Performances und eindringlichen Botschaften.

Im Luzerner Neubad kämpfen am Samstagabend sechs Slampoet*innen um die Innerschweizer Slam-Meisterschaft 2020. Die Entscheidung über Sieg und Niederlage trifft dabei eine zufällig gewählte Publikumsjury, den Rest bestimmen die Zuschauenden durch Klatsch-Enthusiasmus. Kim Gvozdic und Henrik von Dewitz moderieren den Anlass und sorgen mit unbeholfen-unterhaltendem Frohsinn für eine aufgelockerte Stimmung.

Das Gruppenfoto der Halbfinalist*innen

Aargau an der Spitze

Die Texte der Dichter*innen präsentieren sich sehr divers. So befinden sich unter ihnen beispielsweise eine Hommage an den Determinismus oder ein Liebesgedicht im Stil von Katie Meluas «If You Were A Sailboat». Bei Letzterem punktet die Autorin Julie Roth weniger auf der inhaltlichen Ebene als vielmehr mit dem Klang ihres rhythmischen Texts.

Auch gesellschaftliche Probleme werden angesprochen – dabei wird sich aber eher bei altbekannten Dialogen und Szenarien bedient, als dass neue, anregende Ansätze auf den Tisch gebracht würden. Schade ist immer, wenn ein Text vor seiner Präsentation noch gerechtfertigt wird; anstatt die Ansprüche des Publikums herunterzuschrauben, raubt es viel eher die Spannung.

Am meisten überzeugen aber die beiden Slamer*innen aus dem Aargau: Amani Christen und Vorjahressieger Benjamin Flur Koch. Performance wie Inhalt beeindrucken und die Autoren reissen das Publikum mit. Christen zögert immer wieder geschickt die Spannung hinaus und sorgt so für unangenehme Stille und Verwirrung im Publikum. Das lässt an bekannte Namen denken, welche diese Technik perfektioniert haben, zum Beispiel US-Komiker Andy Kaufmann. Christens Text liefert eine Aneinanderreihung von -ismen, die sie zu Wortspielen verdreht, selbst definiert oder gar erfindet: «-ismus ist Muss», «Maskulinismus ist das Gegenteil von Feminismus» oder «Anti-Blablaismus».

Ihr Kontrahent Flur Koch erzählt ein Märchen, in dem ein fauler König vom Teufel zur Ergreifung von Sparmassnahmen überredet wird. Der Dichter schlüpft gekonnt in verschiedene Rollen und sorgt so für einige Lacher im Publikum.

«Scheiss-Biber» gegen Farbenfieber

Die Entscheidung steht fest: Christen und Flur Koch duellieren sich im Finale um den Titel. Wer von den beiden anderen Halbfinalistinnen Julie Roth und Marlene Kulowatz ebenfalls in die Endrunde darf, ist noch unklar. Dies wird aber sogleich kurzerhand durch Schere-Stein-Papier ausgeknobelt – eine etwas fragwürdige Methode. Kulowatz gewinnt und so treten die drei Finalist*innen in die letzte Runde: Kulowatz mit einem zweiten Text über die Philosophie, Christen mit einer witzigen Darbietung, in der sie von halluzinierte Farben erzählt.

Benjamin Flur Koch im Neubad

Doch Flur Kochs Performance stiftet dieses Mal am meisten zum Lachen an. Aus einer simplen Situation kreiert er bildhafte, zum Brüllen komische Szenarien wie den Kampf mit pinken Plüschtier-Biber im IKEA, die er beschuldigt, sein Bettgestell abgenagt zu haben. Seine letzten Worte, nachdem er zum Gewinner gekürt wird: «Scheiss-Biber!»