Absurditäten spinnen

Parterre, Luzern, 21.12.2019: Ein kannibalischer Götti, ein Baumstamm im Hals – der «Improkrimi» zeigt sich bei seiner Dernière im Parterre makaber, ausgefuchst und ausgesprochen amüsant. Doch nicht verzagen – bald gibt’s den Neuanfang im Neubad.

Zutaten, frisch aus dem Publikum: mehrere Stecken, 1 Friedhof, 1 E-Bike, 2 Bremsspuren
Hilfsmittel: Musik, Licht, Kamera, Bildschirm, schwarzes Brett, Stuhl, Mikrofon mit Special Effects
Z
ubereitung: improvisiere!

In Maël Leuenbergers Kopf rattert es. Während er vor dem gut besuchtem Parterre gedanklich einen Krimi auskocht, sorgt Gitarrist Joël Kusters Intro für sinistre Stimmung. Ein Schauspieler und ein Musiker, die krimprovisieren. Einige Stichworte auf dem schwarzen Brett und drei Videos, die live gedreht werden, geben die Handlung vor. Noch ist alles ziemlich verwirrend – vielleicht nicht nur für die, die zuschauen. 

«Es ist ein Luxus, dass wir ein Format haben, das wir einfach aktivieren können.»

Maël Leuenberger

Nach einer zweijährigen Pause hat das Duo diesen Herbst das «Improkrimi»-Comeback gegeben. Leuenberger spielt solo und verkörpert somit nicht nur Erzähler und sämtliche Charaktere, die er laufend aus dem Hut zaubert – etwa Detektiv, Verdächtige, Opfer, Bremsspurenermittler –, sondern auch schwer Fassbares wie Mondschein oder Räucherstäbchenrauch. Das Ganze wird von Kuster musikalisch untermalt. Neu im Einsatz sind Loop-Gerät und Stimmverzerrer, die für überraschende Effekte sorgen, sowie ein Mikrofon, das Geräusche aus dem Publikum aufnimmt und ins Stück miteinbezieht – leider nur einmal an diesem Abend.

Detektiv Meier ermittelt

Den Tatort muss man sich etwa so ausmalen: eine Famile wurde an einer Brätelstelle im Wald ermordet, alle mit verschieden grossen Holzstecken im Hals; Ratten und Raben, die sich über sie hermachen. «Krimis sind nicht immer schön», belehrt uns Leuenberger.

«Krimis sind nicht immer schön.»

Maël Leuenberger

Stephan Meier, der Detektiv mit dem Meiermantel, verfängt sich in einem Netz aus Familienlügen und esoterischen Aventüren, als er sich dem Mordfall annimmt. Er bildet den roten Faden des Stücks. Das Einzige, was im Voraus gesetzt ist, ist die Platzierung und Funktion der drei Videos – sonst nichts, verrät Leuenberger im Nachhinein. «Es ist ein Luxus, dass wir ein Format haben, das wir einfach aktivieren können.»

Mael Leuenberger im Parterre

Die Videos zeigen je einen Charakter, der regelmässige Sprechpausen macht. Leuenberger ergänzt passend zur bis dahin improvisierten Geschichte; die Gespräche mit den Figuren wirken authentisch und gleichzeitig völlig absurd. Man kommt nicht ums Lachen herum.

Mondmilchkraftmord – was? 

Am Schluss drängt die Zeit; Leuenberger übertrumpft sich selbst mit grotesken Bildern, mit denen er das Publikum bombardiert, das sich nicht mehr halten kann. Ein fletschender Riesenhund, der die Erdrotation aus dem Rhythmus bringt, Stephan Meier in einem Wettrennen gegen den geflüchteten E-Bike-Dieb und die Marionetten-Tücherfrau Katharina, die ihre Energie der Mondmilch verdankt … Die Geschichte dreht sich ins Verrückte, komplett Unsinnige, aber unheimlich Komische. Das Zusammenspiel von Improvisationstheater, Licht und Sound gelingt an diesem Abend im Parterre extrem gut.

Man vergisst kurz, dass dies der letzte Ad-hoc-Krimi in der Neustadt-Beiz ist. In Zukunft werden die beiden das Format im Neubad-Keller weiterführen, wie auch ihr Format «Momentgeschichten» für Kinder ab drei Jahren, in welchem sie Geschichten für die Kleinsten improvisieren. Leuenberger und Kuster, Sterneköche des Improtheaters, haben also zum Glück bereits eine neue Gaststube gefunden, in der sie ihre Spezialität präsentieren können.