50 Jahre Statement

«It’s About Time» markiert eine kleine Sensation in der Luzerner Musikgeschichte: OM veröffentlicht nach zwölf Jahren eine neue Platte. Das Fazit schon zu Beginn: «Wurde auch Zeit!» Mehr dazu erzählen drei der vier Bandmitglieder gleich selber im Gespräch.

Titelbild: Ralph Kühne

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«Here we are! Das sind wir. Bumm!» Urs Leimgruber gestikuliert begeistert, während Fredy Studer anfügt: «50 Jahre immer in der gleichen Grundbesetzung! So lange spielt praktisch keine Band zusammen, nicht mal Deep Purple oder die Stones!» Okay. OM nach dem Statement ihrer neuen Platte «It’s About Time» zu fragen, das öffnet einerseits wie zu erwarten eine kleine Schatzkiste an Reaktionen. Und andererseits fühlt man sich trotzdem etwas doof, denn OM müssen das Statement ihrer Musik nicht umschreiben. Sie sind das Statement! Oder, wie Studer sagt:

«Wir sind eine Band, kein Projekt – das geht vieltiefer. Und wir probieren stets, am Puls der Zeit zu bleiben.»

Zusammen mit Saxofonist Urs Leimgruber sitzt der Schlagzeuger im Wohnzimmer des ebenfalls anwesenden Bassisten Bobby Burri. Nur Christy Doran, das vierte OM-Mitglied, weilt aktuell im Ausland. Alle ganz in Schwarz gekleidet, haben sie sich um einen Tisch positioniert, erfreuen sich an irischen Chips, diskutieren über den Dub-Produzenten Lee Scratch Perry und flachsen herum.

Kaum kommt die erste Frage, werden aber alle drei ganz still und bedächtig. Studer eröffnet mit einem Armschlenker die Runde: «Wer will antworten?» Und prompt folgt von allen Seiten engagiert Auskunft zur bereits erwähnten neuen Veröffentlichung, die zugleich der Grund der Zusammenkunft ist.

Zwischen Improvisation und Komposition

«It’s About Time» ist ein fast einstündiges Musikwerk geworden und markiert nach zwölf Jahren die erste Platte seit dem «Willisau»-Livealbum. Auf dem Neuling klingen OM so frisch wie zu ihren besten Gigs und ihre Probearbeit sowie Erfahrung sind der Musik ebenso anzuhören wie die Radikalität und die Vorlieben der jeweiligen Kompositionen der Mitglieder.

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V.l.n.r.: Bobby Burri, Urs Leimgruber, Christy Doran, Fredy Studer (Bild: Emmanuel-Ammon)

Wobei der Begriff «Komposition» dehnbar ist: Während Leimgruber beispielsweise für seine Stücke die Idee «Räume» nutzte und vergleichsweise mit der Imagination arbeitete, brachte Doran für ihn typische, bis ins Detail ausgeschliffenen Kompositionen in den Proberaum. «Da haben wir uns dann eher aufs Wegstreichen von Noten konzentriert», kommentiert Studer.

Er und Burri bewegten sich kompositorisch in der Mitte der soeben genannten Konzepte, arbeiteten mit Motiven und Grooves. Überhaupt sei kein Stück pfannenfertig angekommen – alle Ideen wurden im Kollektiv improvisatorisch entwickelt. Das ist den Stücken denn auch anzuhören, ohne dass sie die jeweilige Note ihrer Schöpfer verlieren.

Sphärisch, rockig, feinkörnig

Leimgrubers Ideen klingen ungemein feinkörnig, als ob man mit dem Mikroskop einen Raum erforschen und immer mal wieder andersförmige Partikel entdecken würde, welche von den Mitgliedern vertont werden. Dazu passt gerade bei «Nowhere» die räumliche Abmischung des Tracks. Die Kompositionen Dorans erinnern konträr an Werke seiner Bands New Bag oder Sound Fountain, rockig, kraftvoll, dazwischen sphärisch, inklusive der charakteristischen Gitarrensounds.

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Om in Aktion (Bild: Francesca Pfeffer)

Burris Werke wiederum zeichnen sich durch die vermeintlich schwierige Heirat von akustischen Kontrabassmotiven und Effektgeräten aus, die in ihrer Unberechenbarkeit ungemeine Polyrhythmik-Reize verströmen. Und dann gibt es da «Like A Lake (Dedicated to Marianne B.)», das Studer-Stück, diese eigene Vereinigung von Zen-Meditation und Karatekraft, welche den Schlagzeuger auszeichnet – sozusagen eine Komposition mit dem Gestus der Improvisation.

ElectroAcoustiCore mit Punch

Faszinierend ist, wie die jeweiligen Bandmitglieder die verschiedenen Stimmungen und Eigenheiten unter- einander adaptieren können. Auf einen Nenner bringt dies die einzige freie Improvisation auf dem Album, «String Holder», ein vermeintlich zweigeteiltes Stück mit mittelteiligem Stillemoment. Summiert nennt die Band ihren Musikstil «ElectroAcoustiCore»: ein eigens kreierter Begriff, der das Elektronische der Gitarre und der Effektgeräte mit dem Akustischen von Saxofon, Schlagzeug und Saiten verbindet.

«Das ‹Core›, weil wir kernig sind, mit Punch von unten» – Urs Leimgruber

Warum aber eigentlich nicht mehr Improvisationen wie«String Holder»? Diese haben OM schliesslich unter anderem in ihrer fast drei Jahre dauernden Konzertreihe in der Jazzkantine zelebriert und «It’s About Time» bildet eigentlich den Abschluss davon. Leimgruber: «Mit Kompositionen wollten wir uns bewusst herausfordern und noch einen Schritt weitergehen.» Zugleich hält er fest: «Wir erfinden uns nicht neu, sondern machen dort weiter, wo wir aufgehört haben.»

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OM: Heute nach wie vor so frisch wie damals! (Bild: Max Kellenberger)

Dieses Zitat fasst zusammen, an welchem Punkt OM heute stehen: Wenngleich alle Mitglieder eine gewisse «Sicherheit» in der Musik gefunden haben– egal, ob spielerisch oder gesellschaftlich –, sind sie in ihrem Wirken und Denken stets frisch und leidenschaftlich geblieben. Das zeigt sich auch im rund zweieinhalbstündigen Gespräch immer wieder, wenn beispielsweise über die junge Schweizer Musikgeneration, Politik oder Kulturförderung ausgiebig diskutiert wird.

Und besonders herzhaft wird es zum Schluss, als die Magie in der Musik zur Sprache kommt – ein Gefühl, das mit Wörtern wie Trance, Ekstase oder Höhenflüge grob umschrieben werden kann, und das seit jeher Musikschaffende sowie Musikfans zusammenbringt.

Oder in den Worten von Bobby Burri: «Es ist in der Musik nicht anders als sonst im Leben; du kannst etwas erleben, das magisch ist, das du gar nicht mehr erleben kannst. Du spürst es, kannst aber gar nicht beschreiben, wie das ist.» Fredy Studer fügt an: «Das ist das ‹Mirakulum› – absolute Interplay!» Und Urs Leimgruber ergänzt: «Das verlangen wir auch so von unserer Musik. Wir probieren nichts aus– statt-essen einfach: Bumm, machen! Wie im Leben.»

OM – Plattentaufe
FR 20. November, 21 Uhr
Südpol, Kriens

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OM - It's About Time

2020. Intakt Records

Live: FR 20. November, 21 Uhr

Südpol Kriens