10 Jahre B-Sides Festival (!!!!!!!!!!)

Sonnenberg, 12.06.2015: Wetter gut, alles gut! Die 10. Jubiläumsausgabe des B-Sides Festivals auf dem Sonnenberg war gesegnet von herrlichen Wetterbedingungen und einem musikalischen und kulinarischen Wohlfühlprogramm für rund 4500 Besucherinnen und Besucher. Ein Freitagabend-Report vom wohl beliebtesten Luzerner Kulturmusikopenair.

(Fotos: Silvio Zeder, Mik Matter)

In Luzern gibt es viele Orte, die man alleine besuchen kann und wo man garantiert jemanden trifft, den man kennt. Dieses Faktum kulminiert jeweils Mitte Juni, wenn alle Luzernerinnen und Luzerner noch nicht in den Sommerferien sind. Bereits beim Aufstieg zum B-Sides Festival auf dem Sonnenberg, egal ob zu Fuss, Velo oder mit der historischen Zahnradbahn, werden bereits die ersten Geschichten und Floskeln mit Freunden und Bekannten ausgetauscht. Wenn man einmal oben angekommen ist und ohne Dose und Glas reingelassen wird, fällt man irgendwie in den B-Sides-Modus. Das heisst, man trifft automatisch beim Eintritt in die glorifizierte Festivalzone auf allerlei Altbekannt-Vertrautes und erlebt gleichzeitig Abstrakt-Neues. Die Rencontres mit befreundeten Personen finden in ebenso hoher Kadenz statt wie das Kennenlernen neuer Menschen. Solide Musikauswahl – Headliners wie Tocotronic beispielsweise am Donnerstag – paart sich mich avantgardistischer B-Seiten-Musik. Das Festival auf dem Sonnenberg hat sich kontinuierlich einen herausragenden Ruf erarbeitet und diesen mit der diesjährigen 10. Jubiläumsausgabe definitiv konsolidiert. B-Sides ist zu einer Marke geworden, die es in den kommenden Jahren auf hohem Niveau weiterzuführen gilt. Klassisch verschwitzt vom Veloaufstieg, drei Stunden zu spät, weil das Kunstmuseum Luzern eine Ausstellung eröffnete, muss man bei der Ankunft meistens als Erstes: Pinkeln. Die Bauwagensituation anstatt eines Toitoi-Gelages hat sich seit den letzten Jahren nicht geändert, wohlwissend, dass sie sich bewährt hat. Kaum auf dem Gelände – mit sauberen Händen – klopfen einem schon die ersten auf die Schultern. Juhui, man kennt sich! Da ein Hallo, dort ein Händeschütteln, einmal-zweimal-dreimal anstossen und ab geht es vor eine der drei Bühnen.

Dan Deacon (Foto: Silvio Zeder)

Dan Deacon (Foto: Silvio Zeder)

Schnell erfährt man, das ein grandioser Act soeben vorbei ist: Shit, denkt man sich. Hätte man doch nur ein Glas Vernissage-Wein weniger getrunken. Oder wäre schneller geradelt. Nützt alles nichts, Dan Deacon, von mehreren Personen als leicht pummeliger, bärtiger Musiker beschrieben, hat anscheinend den Draht zum Publikum total gefunden! Soziokulturelle Animation und Gruppendynamik vor der Bühne, hat man sich sagen lassen. Hin- und herhüpfende Besucherinnen und Besucher, High-Fives en masse und ausgelassene Stimmung. Schadepanade, denkt man sich.

Stimmung (Foto: Silvio Zeder)

Stimmung (Foto: Silvio Zeder)

Man schaut mal auf das Programm, was sich in der Dunkelheit und ohne Smartphoneakku als kompliziert entpuppt. Bekannt für ausgefallene Grafikauswüchse, hat das B-Sides in diesem Jahr ein sage und schreibe 89cm (!) langes Programmfaltblatt konzipieren lassen. Wenn man mal verstanden hat, das es sich von unten nach oben liest, fällt einem auf, was man schon alles verpasst hat: Weyes Blood (anscheinend mitsamt spontaner WC-Session) oder Kevin Morby (im Vorfeld als hypergemütlicher Singer/Songwriter angepriesen; perfekt gewesen, um den Freitagabend einzuläuten). Leider auch verpasst. Genau wie Great Black Waters, Martin Baumgartner und der besagte Publikumsliebling Dan Deacon. Egal. Weiter geht es. Ein paar französische Worte und eine gehörige Portion Ladyrock lieferte Laetitia Shériff. Man hört bisweilen ein paar wohltuende Klänge, denkt sich, die Augen zu schliessen und vielleicht einen meditativen Zustand zu erreichen. 20 Sekunden dauert die Ichsehenichtshörenur-Phase, bevor man wieder in das nächste Gespräch verwickelt wird. Die Konzentration auf die Musik hält sich in Grenzen, der Pfandbecher ist schon wieder leer und man ist in Gedanken bereits wieder beim gelben Jeton. Die Zeit rinnt, und als arbeitstechnisch erschienener und dankenderweise mit Akkreditierung ausgestatteter Pressemitarbeiter sollte man sich seines Auftrages gewahr werden und zumindest ein Konzert mitverfolgen. So zumindest stellt man sich die Aufgabenstellung insgeheim vor. Voller Erwartungen aufgrund der Hintergedanken an den verpassten dynamischen Dan Deacon, stellt man sich zum Auftritt von Liima (Tatu Rönkkö & Efterklang) aus Dänemark. Aber irgendwie scheint der berühmte Funke von der Musik nicht auf das Publikum überzuspringen. Ansprechender, bisweilen larmoyanter Indie-Pop vermag nicht an die Intensität des Vorkonzerts anzuknüpfen, lässt die Stimmung jedoch auf ein gemütliches Miteinander einpendeln. Flieder und Pastell fällt einem ein, als Seifenblasen in den Abendhimmel entwischen und man realisiert, dass ein vollkommen gesitteter Rahmen vorherrscht.

Liima (Foto: Mik Matter)

Liima (Foto: Mik Matter)

Diesen Rahmen aufzusprengen vermag anschliessend ein bunter Zeltbühneneroberer im Bademantel. Für alle, die den kleinen Kurztext auf dem B-Sides Programmflyer nicht studiert haben, sei er an dieser Stelle als treffendes Statement zitiert: SSION – wie zur Hölle man das auch immer ausspricht – ist Cody Critcheloe. Vor 14 Jahren entwarf er das Artwork für das göttliche erste Yeah Yeah Yeah-Album. Heute ist er selbst eine flamboyante Actionfigur. Superkraft: Mit bunten Gay-Disco-Strahlen Sorgenfalten professionell weglasern. Wilde Sache!

SSION (Foto: Silvio Zeder)

SSION (Foto: Silvio Zeder)

Der Autor möchte sich abschliessend bei allen Bands in der Bohemians Welcome Bühne entschuldigen, ihre Auftritte kläglich vernachlässigt zu haben. Sorry! Allen in allem ist das B-Sides nicht mehr wegzudenken und ein fester Bestandteil des Luzerner Kulturlebens geworden, das seit längerem nationale und internationale Ausstrahlung erzielt. Auf bald, im Juni 2016!