Mehr ist nicht mehr – volle Pulle in die ganze Palette gegriffen

Luzern, Schüür: 8.9.2013: Am Sonntagabend trudelte ein Haufen Luzerner in die Schüür ein, um sich kopfwiegend das eineinhalbstündige Konzert von Junip reinzuziehen, das pünktlich auf die Minute begann – sehr schweizerisch, wie auch die gutbürgerliche Haltung der braven Zuhörer.

(Von Tiziana Bonetti)

Punkt halb neun standen die Musiker von Junip – normalerweise ein Trio schwedischer Männer, gestern Abend aber zu sechst, startbereit auf der Bühne. Hinter ihnen hing ein überdimensionales Foto eines unschuldigen Rehs, dessen Kopf vom letzten Winkel der Schüür besehen, eher die Züge eines Kampfhundes aufwies. Mit dem Eröffnungsstück lieferte Junip dem gutgesinnten Publikum eine geballte Ladung Rock. Spätestens jetzt begriff wohl auch der ahnungsloseste José Gonzalez-Liebhaber in der dampfenden Konzerthalle, dass die Band Junip nicht bloss eine instrumentenreichere Fortführung von Gonzalez´ Soloprojekt ist, sondern eine musikalische, klangliche und motivische Erweiterung, die den Zuschauern gestern ein mannigfaltiges Klangangebot vor Ohren führte. Die Klangpalette reichte von sphärischem Kraut-Rock, über poppige Sound- und Discoelemente, bis hin zu düsterem Psychedelic Folk. Für einen weich gesottenen José Gonzalez-Fan werden diese Erweiterungen allerdings nur schwer zu verkraften gewesen sein, wenn sie gestern Abend nicht sogar befremdlich auf ihn gewirkt haben müssen. Die Klangwelten, die Junip nämlich mit ihrem umfassenden Instrumentenequipment, bestehend aus akustischer Gitarre, Bass, zahlreichen Synthesizern, Schlagzeug und Perkussionsinstrumenten kreierten, gestanden der wunderschönen, zuweilen fragilen Stimme des Sängers José Gonzalez und den zarten Klängen seiner akustischen Gitarre deutlich weniger Raum ein, als man es Solo vom begnadeten Sänger gewohnt ist. Meist wurde denn auch das delikate Gitarrenspiel von den anderen Instrumenten prompt übertönt, während der im Kellner wummernde Bass das musikalische Zusammenspiel schliesslich in einen brodelnden Brei aus warmen Klängen transformierte. Auf diese Weise wirkten die Songs mitunter rauer und brachialer als in den Albumaufnahmen, andererseits aber vielfach etwas zu überladen. Hall wurde dennoch gebührlich reingemischt und auch Platz zum Dahinschwelgen wurde sentimentalen Zuhörern nicht ganz verweigert. Denn viele Songs von Junip bauten durch fortwährendes Kreisen von repetitiven, leicht sphärischen Melodien Spannung auf, obwohl diesem Motiv des unendlich Kreisenden und Repetitiven manchmal etwas Langatmiges innewohnte. Nicht überladen, dafür aber leider zu dick aufgetragen, schienen sowohl die oftmals vielschichtigen und live zu komplexen Harmonien, als auch die teilweise zu breit instrumentierten Songs. Keine Frage – in den Aufnahmen fehlen diese Anzeichen des Überdrusses komplett! Dementsprechend sind die Instrumentation und die Klänge ab Tonträger viel abgestimmter und leichter nachvollziehbar als (lausig) abgemischt im Live-Konzert. Aber gestern büssten einige, vor allem rockige und poppige Songs aufgrund dieses Sentiments des Überladenen ihre Dezenz und Schlichtheit ein, die für die Produktionen von Junip, als auch für José Gonzalez´ Soloprojekt bezeichnend sind. Stattdessen liessen die Musiker den Verdacht aufkommen, sie könnten dem Motto gefolgt sein: Mehr ist mehr. Denn unbesorgt liessen die schwedischen Klangkünstler alle möglichen Tonfarben auf ihrer Palette miteinander tanzen, was vornehmlich ruhigeren Songs wie «In Every Direction» oder «Without You» erstaunlicherweise sehr zugute kam, anderen im Konzert stärker rhythmisierten und ausgeschmückten Songs dagegen, wie dem Ohrwurm «Line Of Fire», den angemessenen Freiraum und die Ruhe raubten, die sie dringend benötigt hätten. Jedenfalls liessen sich die im Takt schaukelnden oder mit den Füssen wippenden Konzertgänger die Freude an der Musik nicht nehmen und genossen, was ihnen geboten à la «Wer nicht anbeisst, ist selber schuld». Zweifelsohne servierte Junip in diesen anderthalb Stunden ein breitgefächertes Angebot an Klangqualitäten und eingängigen Melodien, was die Musiker nicht zuletzt ihren abwechslungsreichen Arrangements zu verdanken hatten. Schade nur, dass die schlechte Akustik des Konzertlokals und die fehlerhafte Abmischung das musikalische Potenzial von Junip untergruben und manchen Song in eine flächige Sosse verwandelten.