Winterschlaf, Frühlingsmüdigkeit und Sommernachtsträume

Schüür Luzern, 06.06.17: Die Band Wintersleep aus Halifax, Kanada, spendete ein angenehmes Stück Indie-Folk-Wärme an einem Tag, der selbst nicht wusste, zu welcher Jahreszeit er eigentlich gehört.

Am Ende eines Tages, der von kühl zu warm und dann zu richtig kalt wechselte, spielten Wintersleep in der Schüür ein Konzert im Rahmen ihrer Tour zum letztjährig erschienenen Album «The Great Detachment». Nach dem grandios ohrenbetäubenden, psychedelischen Auftakt der Vorband Walrus aus Kanada, übernahm der ebenfalls aus Kanada stammende Hauptact die Bühne. Die Band, bestehend aus Paul Murphy (vocals, guitar), Tim D'eon (guitar) und Loel Campbell (drums) fand 2001 in Halifax zusammen und ist seitdem ein sicherer Wert für Liebhaber dieser Musikrichtung – irgendwo zwischen Alternativ-, Indie-, und Folkrock.

Vielleicht lag es daran, dass es erst Dienstag war, vielleicht auch daran, dass das lange Pfingstwochenende noch beinahe wahrnehmbare Echos von sich hören liess, und man erst noch richtig in die neue Woche starten musste: Jedenfalls liess sich das luzerner Publikum nicht von den Animationsversuchen des Sängers zum Jubel stimmen. Auf sein «Bonjour» nach den ersten Songs folgte absolute Stille. Beinahe verständlich, wären die Zentralschweizer doch fast schon beleidigt, wenn man sie fälschlicherweise für Französisch sprechend halten würde. Was für ein Fauxpas! Aber auch bei seinem liebevollen «Wie gehts?» auf Deutsch und dem sofort darauffolgenden «How are you?» war ausser einem leicht beschämten Kichern nicht viel zu hören. Viel mehr Kontakt mit dem Publikum mochte er danach nicht mehr suchen.

wintersleep

Die vermeintliche Frühlingsmüdigkeit hinderte die Band nicht daran, ein starkes Konzert abzuliefern. Sie spielten vor allem Stücke aus ihrem neuen Album, liessen es sich aber dann nicht nehmen, auch ältere Songs aus ihrem Repertoire herauszuholen. Murphy legt viel Gefühl in seine Stimme, Campbell fällt mit seinem kraftvollen Schlagzeugspiel auf, das die Songs treibt, D'eon untermalt das Ganze solide mit seiner Leadguitar, und unterstützt werden sie dabei noch von einem Bass und einem Keyboard. Mit dem zusätzlichen Hin- und Herwechseln zwischen akustischen und elektrischen Gitarren erschufen Wintersleep ein stimmiges Gesamtbild, das so manchen zum Sich-Treiben-Lassen verführte.

Ihre Lieder lassen tagträumen, von Gesprächen mit Bier am Lagerfeuer, oder langen Autofahrten in Richtung Abendsonne, irgendwo mitten durch dichte Wälder. Ihr Spektrum bewegt sich zwischen ruhigeren Balladen und poppigeren Songs, die immer leicht zugänglich blieben und kaum die Erwartungen der Zuhörer bedrohten. Sie forderten nicht mehr vom Zuhörer, als einfach mitzugehen. Die Erfahrung und Sicherheit der Band, die seit nun siebzehn Jahren miteinander musiziert, war deutlich spürbar. So schafften sie es dann auch mit einer überzeugenden Performance das Publikum doch noch zum Beifall zu bewegen. Wintersleep entliess seine Zuhörer schlussendlich doch mit einem überwiegend guten Gefühl auf den Nachhauseweg. Bei 12 Grad im Juni. Mancher hat sich bestimmt gewünscht, wieder im Winterschlaf zu sein.