Willkommen im Pfefferland

Kleintheater Luzern, 25.10.2017: «It was fifty years ago today» – gut, nicht ganz auf den Tag genau, aber immerhin. 1967 kam das epochale Beatles-Album «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band» heraus. Aus gegebenem Anlass feiert das Secondhand Orchestra den musikalischen Wurf der Four Ever mit einem herzerfrischenden Hommage-Abend – auf Mundart. Leider ausverkauft.

So heisst es in voller Länge: «Sgt. Pepper – Ein Mundartabend auf den Spuren des besten Albums aller Zeiten». Ist natürlich Blödsinn. Beziehungweise: Die Meinungen gehen auseinander. Bei «Sgt. Pepper» handelt es sich zweifellos um einen unkaputtbaren Klassiker; bei den einschlägigen «Best of»-Rankings steht das Album stets als ewige Nummer 1 ganz zuoberst, quasi der «Citizen Kane» der Popgeschichte. Aber gibt’s das überhaupt: «das beste Album»? Wir meinen: nein. Und wenn schon Beatles: Ihr bestes Album ist immer noch «Revolver». Kein Widerrede.

secondhandorchestraAlso dann: Willkommen im Pfefferland. Es ist ein überaus musikkompetentes, spielfreudiges und gut aufgestelltes Trüppchen, das sich zusammengefunden hat, um den durch und durch gelungenen sowie aber auch restlos überzeugenden audiovisuellen Hommage-Abend im Pfefferland zu gestalten: Roman Riklin (SG, Heinz de Specht), Daniel Schaub (ZH, Heinz de Specht), Adrian Stern (AG, Adrian Stern), Frölein Da Capo alias Irene Brügger (Napf). Nicht zu vergessen: Radio-Legende François FM Mürner, der als Chronist ab Konserve kommentierend und in Fake-Live-Einspielungen Teil der Inszenierung ist. Inszenierung heisst: Es ist mehr als ein Konzert, das alle 13 Songs des Albums in Mundart zum genussvollen Vortrag bringt. Dazu kommen assortierte Eigenkompositionen sowie Projektionen mit Animationen, historischen Filmdokumenten, einer schwer geflunkerten Biografie des Sgt.-Pepper-Vorbilds (ein Skilehrer aus dem Berner Oberland), ein geblättertes «Lovely Rita» oder eine 3D-Interpretation von «She’s Leaving Home» (ein aufklappbares Puppenstubenhaus mit Playmobil-Männchen). Oder auch dies: «Lucy In The Sky With Diamonds» wird von Frölein Da Capo leadgesungen, dazu zeichnet sie live ein entsprechendes Bild. Gegen Schluss wird das Publikum Teil der Inszenierung: Das Ton für Ton anschwellende Orchestergetöse der 24 Takte im Zwischenteil des finalen «A Day In The Life» wird im Kleintheater von den Publikumsstimmen übernommen. François Mürner telefoniert einmal mit John Lennon im Jenseits (O-Ton). Das Secondhand Orchestra zeigt auch, dass man live hängen bleiben kann (wenn ein Kratzer einen Sprung in der Platte generiert).

Zusammen spielt das Secondhand Orchestra an die 20 verschiedene Instrumente, von Gitarre, Klavier, Bass und Steh- und Sitzschlagzeug bis zu Ukulele, Mandoline, Melodica, Euphonium, Trompete, Cello, you name it. Und selbstverständlich können alle vier auch schönstens singen, solo und im Chor. Es kann vorkommen, dass sie sich die Instrumente gleich in einem Song fliegend weiterreichen. Wer da den vier Liverpoolern die Reverenz erweist, gehört zur Spezies der Nachgeborenen. Alle vier nämlich waren 1967 noch gar nicht geboren. Im Unterschied zum Kleintheater-Publikum. Da scheint der eine oder die andere sich anno dazumal bereits die Platte gepostet zu haben.

pepper cover

 

 

 

 

 

 

 

 

 

«We hope you have enjoyed the show». Genau. Alles wundervoll. Und eben schade: Die vier Luzerner Vorstellungen sind restlos ausverkauft. Evtl. hat’s zurückgegebene oder nicht abgeholte Tickets. Viel Glück.

Secondhand Orchestra: «The Beatles – Sgt. Pepper. Ein Mundartabend auf den Spuren des besten Albums aller Zeiten»

Mit: Roman Riklin (Blockflöte, Gesang, Klavier, Cello, Handorgel, Flötenorgel, Schlagwerk), Daniel Schaub (Blockflöte, Gesang, Mandoline, Gitarre, Bass, Melodica, Schlagwerk), Adrian Stern (Blockflöte, Gesang, Gitarre, Ukulele, Bass, Schlagwerk), Frölein Da Capo (Gesang, Euphonium, Trompete, Loops, Gitarre), FM François Mürner (Stimme, audiovisuelle Beiträge)
Videoinstallation: Julia Morf
Styling Police: Kathrin Baumberger
Tontechnik: Gögs Andrighetto

Kleintheater Luzern, Do, 26.,–Sa, 28.10., 20 Uhr. AUSVERKAUFT.

https://www.secondhandorchestra.ch

TIPPS:

Das dieses Jahr neu gemixte Album hören.

George Martin, William Pearson: Summer Of Love. Wie Sgt. Pepper entstand, Henschel, Berlin 1997

Walter Grasskamp: Das Cover von Sg. Pepper. Eine Momentaufnahme der Popkultur, Wagenbach, Berlin 2004