Wiener Duette und amerikanische Schatten

KKL Luzern, 07.03.2019: Eine Reise nach Wien, die abwechselnd durch das 18. und 20. Jahrhundert führt und eine Stradivari, die in einem Schweizer Bankschliessfach so vor sich hinschlummerte. Strauss‘ Duett-Concertino berührte das Publikum zutiefst, allen voran die charmante Fagottistin Sophie Devraux.

Bilder: Fabrice Umiglia

Als Geigerin interessierte mich am Donnerstag nicht nur das Programm von «Vienna meets Lucerne», sondern auch die in allen Zeitungen gerühmte Stradivari «Sellière». Mit dieser beginnen nämlich die Zusammenhänge von Luzern mit der österreichischen Hauptstadt: Carolina Ferni, eine ehemalige Besitzerin der Stradivari, trat in jungen Jahren regelmässig international auf. Ihr Debüt in Wien 1858 wurde damals von einem Kritiker der Wiener Jagd-Zeitung wenig goutiert. Später etablierte sich Carolina Ferni als Gesangspädagogin.

Die Besucher*innen in Luzern warten derweil gespannt auf den Eintritt der Orchestermitglieder. Die Blautöne in der Bekleidung einzelner Spielerinnen fallen auf eine eigentümliche Weise auf. Daniel Dodds betritt als Letztes den Saal und lächelt dem Publikum freundlich zu. Ich kann es kaum erwarten, das Streichsextett von Richard Strauss in Streichorchesterfassung zu hören.

Der Einsatz von Daniel Dodds ist klar und prägnant, seine Führung gekonnt eingesetzt. Die romantische Ader, die das Werk durchdringt, lässt das Publikum vergessen, dass Richard Strauss diese lebhafte und beseelte Musik just nach dem Ende des zweiten Weltkriegs schuf. Die Atmosphäre, welche die Festival Strings zeitweilig kreieren, raubt den Zuhörer*innen den Atem. Gelegentlich wird diese Magie jedoch von intonatorischen Unsicherheiten getrübt, die leider an diesem Abend noch öfters auftreten werden.

Festival Strings

Das erste Highlight des Abends sind die zwei Solisten in der Sinfonia Concertante Mozarts. Der Bratschist Tobias Lea und Daniel Dodds bilden eine Symbiose der ganz besonderen Art. Jede Artikulation und jeder Atemzug sind aufeinander abgestimmt. Dabei kann man den amerikanischen Schatten über Mozarts Musik nicht überhören: Legati und Vibrati ziehen sich durch das ganze Stück hindurch, doch nach einiger Zeit stört es nicht mehr und man geniesst die kammermusikalische Bestleistung, die sich hier bietet. Der etwas gedämpfte Klang der Stradivari webt sich angenehm in die anderen Instrumente ein und erzeugt in den hohen Registern eine brillante Klangfarbe, die keineswegs grell scheint. Ein interessanter Fakt zu diesem Werk: Die Solo-Bratsche war damals in D-Dur notiert und wurde um einen halben Ton höher gestimmt, um sich solistisch mehr vom Orchester abheben zu können.

Nach der Pause wird das Publikum mit dem Duett-Concertino für Klarinette, Fagott und Kammerorchester auf eine erstaunlich charmante Weise zurück in die Nachkriegszeit geführt. Man vermutet eine nostalgische Phase, in der sich Strauss auf seine Jugend-Werke für Holzbläser besann. Die Fagottistin Sophie Devraux und der Klarinettist* Matthias Schorn erwecken während ihres Auftritts den Eindruck eines schüchternen, sich neckenden Liebespaares. Traumhaft schöne Dialoge kristallisieren sich heraus und man wundert sich abermals, wie es Strauss möglich war, 1947 derart zauberhafte Musik zu Blatt zu bringen. Der Begleit-Teppich, den das Orchester kreiert, vermittelt in dieser herzerwärmenden Szene ein Gefühl der Geborgenheit. Überall im Publikum hört man Worte der Bewunderung.

Im letzten Teil des Abends präsentieren die Festival Strings die 29. Sinfonie. Spritzig, energetisch und sehr präzise, emotional. Die Festival Strings Lucerne motivieren sich gegenseitig zu Glanzleistungen. Zum Abschluss erklingen in die Höhe jagende Sechzehntel und die Schlussakkorde verschwinden in tosendem Beifall.