Wie Frau Geschichte macht

Historisches Museum Luzern, 24.9.2020: In 45 Minuten jagt die Schauspielerin Franziska Senn ihr Publikum durch über hundert Jahre Ringen um Stimm- und Wahlrecht, Selbstbestimmung und Gleichstellung. Ein kurzweiliger Einblick, der zwischendurch leer schlucken lässt.

Bild: zVg

Ab dem 22. Oktober zeigt das Historische Museum Luzern die Ausstellung «Eine Stimme haben. 50 Jahre Frauenstimmrecht Luzern». Bereits seit dieser Woche kann man sich mit einer Theatertour auf das Thema der Ausstellung einstimmen. In 45 Minuten führt die Schauspielerin Franziska Senn (im Turnus mit ihren Kolleginnen Martina Binz und Nicole Davi) mitreissend durch gut 100 Jahre Kampf um das Wahl- und Stimmrecht für Frauen in Luzern.

Dazu kommt ein Exkurs ins 17. Jahrhundert. Dieser soll zeigen, wie viel früher das Ringen um mehr Selbstbestimmung der Frauen schon begonnen hat – und fällt zusammen mit dem Exkurs zu den Suffragetten zu Beginn des 20. Jahrhundert etwas aus dem Rahmen. Doch gleichzeitig sind diese beiden Sequenzen wichtig, geht es auf der Tour ja nicht nur um das Stimm- und Wahlrecht, sondern um Selbstbestimmung und sowohl rechtliche wie auch tatsächliche Gleichstellung im generellen.

«Uns war es wichtig, die Männer im Stück nicht als Bösewichte darzustellen.»

Jana Avanzini, Autorin

Den Rahmen gibt grundsätzlich die Figur der Nathalie Brun vor. Die heute Fünfzigjährige erzählt nicht nur über ihre Teilnahme an den Frauenstreiks von 1991 und 2019, sondern schlüpft auch in die Rolle ihrer Mutter Anna sowie ihrer Tochter Lin. Anna macht im Verlauf der Theatertour eine Wandlung von der ungemein schüchternen, wohl gar überspitzt nervös gespielten jungen Frau hin zur selbstbewussten Grossmutter, die ihre Enkeltochter zu beeindrucken weiss.

Verantwortlich ist dafür nicht zuletzt ihre kluge Wahl: Sie heiratet den fortschrittlich eingestellten Albert Brun, der schon in den 70er-Jahren die Wäsche aufhängt. «Uns war es wichtig, die Männer im Stück nicht als Bösewichte darzustellen», betont Jana Avanzini, eine der Autorinnen des Stücks. Zusammen mit Lisa Bachmann hat sie die Recherchen in ein eingängiges Stück verpackt. So sorgt etwa die junge Lin – Mitglied im Frauenstreikkomitee 2019 – mit dem ausgezeichnet getroffenen Slang der jungen Aktivistin für einige Lacher. Sie zeigt aber auch auf, dass noch lange nicht alles erreicht ist punkto Gleichstellung.

Nathalie Brun stellt dem Publikum aber auch unangenehme Fragen. Nach der tiefen Rente der Frauen etwa (die Damen im Publikum schauen betreten zu Boden) oder nach der Aufteilung der Hausarbeit (man möchte stolz rufen, dass der eigene Mann die Wäsche macht, und merkt, dass dies betonen zu wollen irgendwie auch ungemein peinlich ist). Zum Glück erwartet Franziska Senn nicht wirklich Antworten aus dem Publikum.

Während Franziska Senn mit der Hilfe von wenigen Requisiten jeweils äusserst überzeugend von einer Rolle in die nächste schlüpft, vermittelt sie auch einiges an Wissen. Bei der Verankerung der Gleichstellung in der Verfassung (1981) sowie dem daraus abgeleiteten Gleichstellungsgesetz (1996 in Kraft getreten) hätte man präziser formulieren können, aber wer’s genau wissen will, wird in der Ausstellung im Oktober zweifellos auf seine Kosten kommen. Ziel der Theatertour ist ja viel mehr, Geschichte lebendig werden zu lassen – und das gelingt hier ausgezeichnet.

Wenn frau will … Auf dem Weg zur Gleichstellung
Bis MI 9. Dezember, unterschiedliche Startzeit
Historisches Museum, Luzern

Konzept / Text: Jana Avanzini, Lisa Bachmann
Regie: Nicole Davi
Ausstattung: Bernadette Meier
Technik: Muriel Utinger, Markus Wolf
Spiel: Martina Binz, Nicole Davi oder Franziska Senn