Wetterglück und gute Entscheidungen

Lidowiese, Luzern, 17./18.08.2018: Die zwölfte Ausgabe des Openairs Funk am See macht einiges anders. Kleiner, intimer und farbiger kommt das Festival daher, und macht dabei zum 20. Geburtstag des Radio 3fach einen frischen Eindruck, bei endlich mal wieder gutem Wetter. Gedanken, Beobachtungen und Fragmente zweier Abende.

Mittlerweile wird es wohl jeder mitbekommen haben: Radio 3fach wird zwanzig. Das Kopfkind einiger Schüler*innen der Kantonsschule Alpenquai ging am 17. Oktober 1998 offiziell auf Sendung. Dieses erste Jugendradio Europas ist seither ein essentieller Bestandteil der regionalen Radiolandschaft.

Wie viel hat man schon mit dem 3fach erlebt? Man erinnert sich an Geschichten, Aprilscherze, Konkursgerüchte, Blackouts, und an all die Male, die man um Mitternacht in verrauchten Küchen sass, als Hells Bells lief.

Schon im Juli feierte das Radio seinen Geburtstag vor, indem es sich für 20 Tage ins hauseigene Exil im Inseli schickte, um von dort aus zu senden. Und an der zwölften Ausgabe des Openair Funk am See, auf der Lidowiese in Luzern, gingdas Feiern weiter.

Freitag

Man will ja nicht zu abergläubisch sein, aber trotzdem fragt man sich, ob es denn nicht Unglück bringt, den Geburtstag zwei Monate im Voraus zu feiern. Vor zwei Jahren hatte das Openair stark mit dem schlechten Wetter zu kämpfen und blickte unsicher in die Zukunft.

Am Freitag ist es zuerst noch bewölkt. Wenn man die Augen zusammenkneift, sieht man zwischen den Wolken das Damoklesschwert, das über dem Funk am See hängt. Künstlichen Druck mache man sich aber keinen, meint David Largier, der Mediensprecher vom 3fach. Die Freude über die Künstlerinnen und Künstler stehe im Vordergrund.  Neun Live-Acts sind für diese zwei Tage angesagt.

1. Crimer lässt sich vom zögerlichen Publikum nicht verunsichern. Souverän steigert er sich in seine Performance rein. Man kann sich fast nicht nicht begeistern lassen.

Nach der verregneten Katastrophe vor zwei Jahren kommt das Festival in einem neuen Gewand daher. «Wir haben mehr in die Deko investiert und den Platz mit viel Liebe fürs Detail gestaltet», so Largier. Offener und einladender soll der Platz sein. Natürlich sind das auch Euphemismen. Aber es funktioniert. Der Platz hat Charme.

2. Leyya groovt richtig mitreissend.

Der Platz füllt sich. Es wird klar, dass heute bestimmt kein Regen mehr kommt. Die Stimmung ist ausgelassen. Man scheint diesen Hippie-Festival-Vibe richtig gut zu finden. Es ist farbig, einfach, aber nicht schäbig dekoriert.

3. Lust for Youth treiben vor sich hin. «Hey, die klingen ja wie Depeche Mode», höre ich jemanden sagen, und bin mir nicht sicher, ob ich nicht auch Enttäuschung heraushöre.

Silent Disco. DJ Still Phil und DJ Fett liefern sich einen freundlichen Wettstreit um die Vorherrschaft über die Kopfhörer.

Samstag

Doppelt so viele Konzerte wie am Vortag stehen heute auf dem Programm, und so bewegt man sich den ganzen Abend lang konstant zwischen der wabenartigen NON-Bühne und der blau-gelben Zeltbühne hin und her.

4. Stereo Luchs dröhnt seinen Dancehall über das Seebecken und schlägt immer wieder mal Wellen im Händemeer vor sich.

5. Alois füllen das blaue Zelt mit Sound. Im Dunkeln wird das Publikum bestrahlt. «Also ich finds ziemlich easy», sagt jemand hinter mir.

6. Mavi Phoenix braucht ein paar Songs Anlauf, bis die Leute kommen. Die junge Österreicherin wirkt zuerst fast irritiert, zieht ihre Show dann aber doch gelassen durch.

Trotz des breiten Programmspektrums, kommt man nicht umhin festzustellen, dass unter diesen neun Acts nur zwei Künstlerinnen vertreten sind. Largier dazu: «Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass im diesjährigen Line-up mehr Männer als Frauen vertreten sind. Wir als Radio 3fach und Openair Funk am See befürworten die Diskussion um den Anteil weiblicher Acts auf den Schweizer Festivalbühnen. Mit Leyya und Mavi Phoenix konnten wir zwei unglaublich tolle Künstlerinnen für unser Festival gewinnen.» Eine diplomatische Antwort zu einem heiklen Thema.

7. Klangstof, aus Amsterdam ziehen die Zuhörerschaft zu sich, bauen ihre Songs langsam auf, lassen treiben. Ein Publikumsfavorit.

8. Möped Lads, die Sedelband, der mitreissende Punk-Ausreisser im diesjährigen Line-up. Mit 26 Jahren als Band auf dem Buckel geben die dienstältesten Musiker vor den Jungen nochmals richtig den Tarif durch.

9. S.O.S. bilden den intensiven Konzert-Abschluss. Das Zelt bebt. Es ist verdammt stickig. Die Security positioniert sich auf der Bühne. Testosterongeladene Jungs müssen sich die Shirts ausziehen. Definitiv etwas für die jüngere Generation, die jeden Text gewissenhaft mitrappen kann.

S.O.S im Zelt
S.O.S. im Zelt

Zum ersten Mal findet im Anschluss an die Konzerte eine Afterparty im Verkehrshaus Luzern statt. Die begehrten Tickets sind natürlich sofort ausverkauft, weil sich natürlich niemand die Chance entgehen lassen will, mal im Verkehrshaus Party zu machen. So füllt sich das obere Stockwerk kontinuierlich. Auch hier ist die Stimmung ausgelassen, feuchtfröhlich. Auf dem Balkon drängen sich die Raucher, die sich nicht mehr überwinden können den langen Weg mit den Rolltreppen hinunter zu fahren. Es riecht wie in einem Flughafen-Fumoir.

Die Veranstalter scheinen alles richtig gemacht zu haben.  Kleiner und liebevoller statt gross und pompös. Über 12000 Besucher haben nach eigenen Angaben am Festival teilgenommen. Vergessen sind die schwierigen Jahre zuvor, die Zukunft scheint fürs Erste gesichert, zumindest auf die Ausgabe 2020 kann man sich schon mal getrost freuen. Und es ist irgendwie beruhigend zu wissen, dass es so etwas wie Gerechtigkeit doch noch gibt und die Wettergötter dieses Jahr nicht in den Geburtstags-Champagner gepinkelt haben.