Wer kann schon den Tod betrügen

Luzerner Theater, 22.03.2019: Mit «Alkestis!» bringen Angeliki Papoulia und Christos Passalis ein zweigeteiltes Stück auf die Bühne. Einerseits von der Realität des Todes, andererseits von der Surrealität der Unterwelt. Ein emotionaler Abstieg in ein visuelles Spektakel.

 

Fotos: Ingo Höhn

Eindrucksvoll mutet die erste Szene von «Alkestis!» an: Eine in Rot gehüllte Gestalt steht, schwach beleuchtet und krumm, in einer kargen Szenerie. Es ist der Tod (Yves Wüthrich), der sich mit Apollo um eine Seele streitet. «Sogar die Götter hassen dich», faucht Apollo.

Der Gott der Künste wurde von Zeus gezwungen, dem Menschen Admetos zu dienen. Als jener sterben muss, gelingt es Apollo, ihn vor dem Tod zu retten – unter der Bedingung, dass eine andere Seele an seiner Stelle in die Unterwelt wandert. Admetos hofft darauf, dass seine Eltern sich zu diesem Opfer bereit erklären, diese lehnen jedoch ab. So entschliesst sich seine Frau Alkestis für ihn zu sterben. An dieser Stelle beginnt die Handlung von «Alkestis!», das ein internationales Ensemble nach Luzern bringt.

Inszeniert wird es vom griechischen Regieduo Angeliki Papoulia und Christos Passalis. Beide sind sowohl in der Theater-, als auch in der Filmwelt, in Regie und Spiel, tätig. Mit dem Theaterkollektiv «Blitz», das von 2004 bis 2018 agierte, weckten sie internationale Aufmerksamkeit. Neben ihren theatralischen Arbeiten sind beide vor allem auch für ihre Rollen in «Dogtooth» oder «The Lobster», den Filmen des Regisseurs Yorgos Lanthimos, bekannt.

«Alkestis!» ist nun ihre erste gemeinsame Arbeit als Duo, und ihre erste Arbeit am Luzerner Theater.

Alkestis

Papoulia steht, neben ihrer Regiearbeit, auch in der titelgebenden Rolle auf der Bühne. Das Publikum begleitet Alkestis in den Tod. Papoulia verleiht der Figur eine schmerzhafte Vielschichtigkeit. Zuckend, sich windend, flüsternd, und verzweifelt schreiend, kämpft sie mit ihrem Los. Akzeptanz wechseln sich mit Wut und Trauer ab.

Admetos (Jakob Leo Stark) leidet ebenfalls, da er erkennt, dass sein Leben ohne seine Frau nicht länger lebenswert ist. Der Lebende und die Sterbende klammern sich aneinander; der gnadenlosen Ausweglosigkeit ihrer Situation ausgeliefert.

Nach dieser emotionalen ersten Hälfte, die mit einer ernsten Begräbnisprozession für die Verstorbene endet, wird «Alkestis!» zu einem völlig anderen Stück. Dieser harte Wechsel verlangt dem Publikum viel ab. Jeglicher Dialog rückt in den Hintergrund, nur mit Bildern wird von Alkestis' Reise in die Unterwelt und zurück erzählt. Man muss sich völlig darauf einlassen. Verzerrte Klänge, starke Farben, obskure Figuren, okkult wirkende Choreographien. Figuren erscheinen und verschwinden. Eine starke Darbietung, die viel den Performancekünstlern Nancy Stamatopoulou und Kiriakos Hadjiioannou zu verdanken hat.

Eine wunderbar surreale Unterwelt. Unangenehm und fesselnd zugleich. So ist es nicht überraschend, dass Papoulia und Passalis Regisseure wie zum Beispiel David Lynch oder Ingmar Bergman als Inspiration für ihre Ästhetik angeben. Wer also eine befriedigende Auflösung sucht, wird hier nicht bedient. Was man bekommt, ist ein visuelles Spektakel.

Kann man den Tod betrügen? Ist das Leben etwas wert ohne den Tod? Muss man bereit sein, für andere zu sterben? «Alkestis!» beantwortet diese Fragen nicht direkt. Und ist vielleicht gerade damit nahe an einer Antwort.

Alkestis!
DO 28., SO 31. März, FR 05., FR 12., SO 21., FR 26. April, MI 01., SO 19. Mai, SO 02., FR 07., FR 13. Juni
Luzerner Theater

Spiel: Yves Wüthrich, Nancy Stamatopoulou, Kiriakos Hadjiioannou, Lukas Darnstädt, Mira Rojzman, Angeliki Papoulia, Jakob Leo Stark

Inszenierung: Angeliki Papoulia, Christos Passalis

Die Rezension gefällt? Hier gibt’s alle Texte von Nikola Gvozdic!