Was macht die Zeit mit den Alben? [#2]

Eine Kolumne von Dr. Knobel

2. «Moon Safari» von Air – 1998

Fazit: Die ersten zwei Drittel dieser Platte sind grandios. Je mehr Air hier jammen, desto besser sind sie. Ob der Ausflug in die Prärie zu Ennio Morricone nötig war, bleibt fraglich. Lustig ist, dass ich die Sängerin damals recht deplaziert fand, heute aber sehr lieb habe. Jetzt würde ich eher an den Gesangseinwürfen des Nasenmannes zweifeln. Der Nasenmann ist allerdings gleichzeitig Markenzeichen von Air und den Neunzigern geworden. Aber Jetzt mal der Reihe nach!

 

Ich versuche mich zu erinnern.

«duuuu-duuuduuu-duuuduuu-dudududu» oder «du-dudu-du-du-dududu». Zwei Hymnen, die einst durch jeden Backpackers-Gemeinschaftsraum Europas schwebten. Ah! Und das: «Can't Watch The Staaaars». Und das: «Sexy Booooy». Und ein Lied, das von einer Frau gesungen wurde, den Rest hab ich vergessen.

Die Probe aufs Exempel.

Man hört ein Rauschen. Das könnte ein kleiner Wasserfall sein, langsam kommen Bongos dazu und dann der berühmte Bas: «Duu-dudu-du-du», bald auch ein Electro-Piano. Man wird sofort aufgesaugt. Super! Obwohl sich dieses Stück («La Femme d'Argent») kaum verändert, wird es über sieben Minuten immer besser. Erhaben!

«Sexy Boy»: Ein Roboterbass beginnt, dann normale Indie-Drums, eine Synth-Wand, und dann die Stimme mit der verstopften Nase: «Sexy Boooy». Wobei ich immer «Sexy Mind» verstehe. Sind eben Franzosen. Nicht ganz so gut wie das erste. Aber gut!

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=FK9L2HUEGZM[/youtube]

«All I Need»: Ein spaciger Ton fliegt vorbei wie ein Rotorblatt, das bei einem Alpenflug verloren gegangen ist. Ein Valium-Bass setzt ein. Eine Frau beginnt vorsichtig zu singen, wie jemand, der ein Kind in den Schlaf singen will. Ein schönes Lied! Könnte ein Liebeslied sein, muss aber nicht.

«Kelly Watch The Stars»: Ein lustiges Lied.

«Talisman»: Oh. Die andere grosse Melodie von Air. Das ist gar nicht, wie ich immer gemeint hab, der Bass der das spielt, es ist die Hals-Zuschnür-Zeit-Anhalte-Orgel, die beste Orgel Europas. Dieses Lied besteht nur aus dem Thema, das aber so gut ist, dass alles andere Blödsinn wäre. Dafür darf ständig ein anderes Instrument das Thema spielen und mit diesem Trick, und ein par Geigen ist es vier Minuten wundervoll. Sehr schön.

Die verstopfte Nase ist zurück: «Remember Forever» meint sie. Dann kommt ein recht böser Drumcomputer und ein Haufen halliger Synthis. Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei. Ja ja.

«You Make It Easy»: Wind fegt übers Land, ein Tropfen schnippt den karibischen Rhythmus. Die Frau beginnt wieder zu singen, diesmal etwas kräftiger. Das ist jetzt aber ein Liebeslied – und ein gutes dazu. Oh! Ein Ennio-Morricone-Zwischenteil. Und schon ist das Lied vorbei. Das erste zu kurze Lied auf dieser Platte. Aber gut war's.

«Ce Matina La»: Ein gespenstischer Urwald-Laut, ein Bass, der auf einem Ton verbleibt und eine Liedermacher-Gitarre wollen ein besinnliches Lied anstimmen. Doch dann wird das alles von einem Schleich-Gong weggewischt. Und als alles wieder kommt, hat eine humorvolle Trompete (mit Dämpfer) das Zepter übernommen. Diese Trompete passt nicht auf diese Platte! Diese Trompete ist ein bisschen Dings. Deshalb wird sie jetzt auch durch eine Mundharmonika ersetzt. Das ist jetzt aber Vollgas Ennio Morricone. Leider findet dieses Lied seinen Nachhauseweg nicht und wird ausgeblendet.

«New Star In The Sky»: Wir bleiben bei Ennio. Der Nasenmann kommt noch mal. Der Nasenmann und Ennio sind keine gutes Duo.

«Le Voyage De Penelope»: Zum Schlussbouquet kommen noch mal alles: Pink-Floyd-Synthie, Geige, Drums, Bass, Orgel, Gitarre. Wie bei «Wetten, dass?». Aber was ist das? Der Jam wird nach dreiminütiger Startphase plötzlich ausgeblendet. Sehr schade.

Was soll man sagen? Grandios.

Nächsten Monat: Eine Band aus England, ebenfalls mit einem Album von 1998