«Wartende, die gemalt werden wollen, aber nicht wissen, dass sie gemalt werden»

Kalt war’s draussen. Warm im Sentitreff in Luzern. Und gemütlich. Ein bisschen mehr als eine handvoll Leute kamen zur Vernissage der Ausstellung «Wartende aus Teufelskreisel» von Christoph Fischer. Mit einem unverkennbarem Quartierblick ist der Illustrator, den man auch als soziologischen Langzeitbeobachter bezeichnen könnte, seit 8 Jahren mit einer unglaublichen Präzision daran, die skurrilen Figuren, welche den «Teufelskreisel» am Kreuzstutz im Babel-Quartier bevölkern, zu skizzieren, durch ein vor die Kamera geschobenes Fernrohr zu filmen, zu fotografieren oder eben auf Leinwand zu malen. Die Ausstellung im Sentitreff hat er selber eingerichtet und dafür 40 Exemplare aus seinem  Bildsammelsurium von Wartenden ausgesucht. Herein in die gute Stube....

(Von Andrea Portmann)

Tatsächlich wissen die Wartenden, wie Urs Häner, der Leiter vom Sentitreff in seiner ad hoc gehaltenen Vernissagerede sagte, nichts von ihrer zweiten Existenz, ihrem Doppelgänger auf Leinwand. Denn Christoph Fischer geht es nicht um den direkten Kontakt mit diesen Leuten, sondern darum, sie zu beobachten. Es sind für ihn «Prototypen von Figuren, die meine Phantasie beflügeln.» Seine Wartenden stehen oder sitzen am Bushäuschen Haltestelle Kreuzstutz, so:

 

Urs ist fasziniert von der Langzeitdimension dieses Quartierprojektes und dass «sich an diesem eigentlich unwirtlichen Ort um den Teufelskreisel das Leben festkrallt, wie die Gräsli, die aus den Betonrandsteinen spriessen».

Familiär ist es hier, genauso hat Christoph die Ausstellung eingerichtet: in gemütlicher Stubenästhetik. Ein wartender Junge in gelbem T-Shirt und blauen Hosen hängt beispielsweise da, wo die Wand gelb und das Sofa blau ist. Auf diesem Sofa sitze ich denn auch, trinke meinen Weisswein und diskutiere mit Rahel Eisenring.

Natürlich erscheinen die Bilder hier im Sentitreff ganz anders, als die momentan im Rahmen der Jahresausstellung «Zentralschweizer Kunstschaffen» im Kunstmuseum Luzern gezeigten kurzen Videosequenzen vom Teufelskreisel. Wobei sich da, wie Barbara, eine Frau die später noch in den Sentitreff trudelt (im Sentitreff duzen sich alle, das finde ich sympathisch) erzählt, dass sich vor diesen Filmen regelrecht «Trauben bilden». Bei uns haben sich zwar keine Trauben gebildet, dafür war die Atmosphäre heimelig, der Weisswein (Trauben!) mundete, und man kannte sich von hie und da. Eine Ausstellung einiger «Wartenden» hier im Sentitreff macht deshalb Sinn, weil hier der Quartiertreffpunkt ist, mitten in Christophs bevorzugtem Forschungsgebiet. Und Urs vom Sentitreff freut sich besonders, dass nun nach einem Mandalamaler von der Baselstrasse und einer Patchworkkünstlerin von der Lädelistrasse auch Christoph Fischer von der Bernstrasse seine Bilder zeigt.

Christoph erzählt von seinen Figuren: von einem Mann mit fleischigen Ohren, der tagtäglich vor seinem Haus auf einem Stuhl sitzt. Von einem anderen Mann, der ein Fahrrad aus dem Gebüsch hebt und mit seinem Werkzeug, das er aus seinem Rucksack holt, auseinander nimmt. Von jemandem, der bei einem Tortenplakat auf jede einzelne Torte tippt und dazu Selbstgespräche führt.

Wer weiss, vielleicht findet ja der eine oder andere Wartende vom Bushäuschen Kreuzstutz sein Leinwandpendant im Sentitreff. Noch bis zum 15. Februar, jeweils DI 10:00-13:30, 17:00-19:00, DO 10:00-13:30, FR 14:00-16:00, SA 9:00-11:00.