«Wär cha läcke cha o bysse»

Singt Büne Huber in «Schlangenäscht», einem der «Nachtschattengewächse» mit denen er und sein Meccano Destructif Commando momentan durch die Schweizer Clubs tingeln. Diese Gewächse sind die stilleren, sperrigeren Songs, die bei den Konzerten seiner Hauptband Patent Ochsner ein Schatten- bzw. Nichtdasein fristen. In Luzern gab er sich in der ausverkauften Schüür die Ehre.

1997 erschien im Feuilleton der Zeitung «Luzern Heute» (ja, damals gab es das noch) ein Artikel der beiden Jung- (resp. nicht mehr so jung) Journalisten Christoph Fellmann und Urs Hangartner mit dem Titel «Was zum Teufel wollen sie uns sagen?», in dem sie sich über die Uninspiriertheit der Berner Mundartszene (Stiller Has ausgeschlossen) enervieren. Auch Patent Ochsner kriegten hier ihr Fett weg. «Hat man bei dieser Band in ihren Anfängen noch Berückendes hören können, fällt mittlerweile bloss noch eine eklatante Differenz zwischen (nicht vorhandener) Aussage und (im Übermass vorhandener) Prätention in Sachen Metaphern-Huberei auf ... Was wir damit sagen wollen: Diese Musik schaltet kraft ihrer einlullenden, mehrheitsfähigen Melodien alles aus, was an Rockmusik einst das Nachdenken förderte. Indem sie persönliche, überaus langweilige Befindlichkeiten ausbreitet und jeglichen Kommentar zu Land und Zeit vermissen lässt.» (Klingt irgendwie prophetisch, wenn man bedenkt, mit was für «Liedli» sich später ein gewisser Marco Pfeuti vulgo Gölä zum Erfolg hin trällerte.) Geändert hat sich bis heute nichts. Ob sich Büne Huber im an Tom Waits «Jockey Full Of Bourbon» angelehnten «Farfromdasea» als Philosoph versucht (was jung isch, wird aut, was heiss isch wird chaut, hüt isch hüt & morn isch wyt äwäg), eingemundartet den vielzitierten Satz aus der «Illuminatus!»-Trilogie von Robert Shea und Robert Anton Wilson zum Besten gibt (nume wöu du ned paranoid bisch heisst das no lang ned, dass sie nid hinger dir här si) oder sich in «Seemanns Wärmuet» als Reimtalent hervortut (schöütte Wärmuet i Schwärmuet). Dazu kein Klischee, das nicht bedient wird, keine Redewendung die zu abgelutscht, keine Formulierung die zu schwülstig ist. Das mit Abstand Schlimmste an solchen Anlässen bleibt aber das Publikum. Da der Schreiber nicht Al Bundy ist, hütet er sich, dieses zu kommentieren. Dann würde es bloss wieder heissen ... Irgendwann ein Song, den ich als «Home Before Dark» von den Nits interpretiere (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Neil-Diamond-Song), später «Wysses Papier», eine Mundartversion des Element-of-Crime-Klassikers (und nicht etwa ein Originalsong von Patent Ochsner, liebe Kanti-Musical-Songcreditsdeklarierer), dann das sehr an «I schänk dir mis Härz» gemahnende «Schlächte Verlürer». Vorne glauben sich einige im DRS1-Wunschkonzert und schreien Songtitel gen Bühne, während Büne sich in einer der zahl- und endlosen Anekdoten verstrickt, die er immer wieder zwischen den einzelnen Songs zum Besten gibt. BB King und ein narzisstischer Radiomoderator aus Wil namens Raphael Bär waren bereits an der Reihe, jetzt kommt Adelboden dran und Adrian Amstutz, der doch besser auf «bschütteti Matte» passe, als in den Ständerat. Was auch die einzige zumindest semipolitische Aussage des Abends bleiben wird. Es folgt «Der Astronaut muss weiter» in einem Schulzimmerhochdeutsch, bei dem sich Udo Lindenberg im Grabe umdrehen würde, wäre er denn bereits tot. Nach der letzten Zugabe «Scharlachrot» – what else? – ist schlussdibuss. Und nach all dem Rumgetrampel muss fairerweise auch festgehalten werden, dass die musikalischen Qualitäten des Meccano Destructif Commando (neben Huber: Diesel Gmünder, Andi Hug und Wolfgang Zwiauer), auch wenns mich jetzt nicht aus den Socken haute, was da gespielt wurde, doch sehr, sehr hoch sind. Die ehrliche, hungrige Spielfreude war spürbar und die Formation machte an diesem Abend viele Menschen glücklich. Um auf den Titel zurückzukommen: Es gab viel Zunge, leider aber wenig Zähne. Heidi aus Hildisrieden jedenfalls hats gefallen: «Das war wirklich ein umwerfender Abend. Und dieser Büne Huber – der ist so feinfühlig und was dem alles in den Sinn kommt! Andere brauchen ganze komplizierte Bücher für das und er kann in einfachen Worten so viel sagen! Und dieses Charisma!», schwärmt sie, nimmt die Oropax raus und trinkt ihr Rotweinglas aus.