Von Freundschaft, Herzblut und Engagement

Foyer des KKLs, 17.08.2017: Heinz Stalder hat das anekdotenreiche Leben der Ursula Jones-Strebi in Buchform festgehalten. Gestern ist «Die tausend Leben der Ursula Jones» im Rahmen des Lucerne Festivals eingeweiht worden.

Offensichtlich hielten die Sommertemperaturen niemanden davon ab, der Buchvernissage von Ursula Jones-Strebis Biografie beizuwohnen. Im KKL haben sich zahlreiche Besucherinnen und Besucher wegen Überzahl auch an Stehtischchen eingerichtet; ein Umstand, der – in Anbetracht der anwesenden Altersklassen und des gepflegten Standards der Anwesenden – zeigt, wie breit gestreut die Wertschätzung und das Interesse an Ursula Jones–Strebis vielseitigem und farbigem Leben ist. Nicht enden wollend erscheint eine Liste, die ihre erzählwürdigen Anekdoten zusammenzutragen versucht. Ursula setzt sich ein für die Förderung junger Musiktalente, darunter namhafte wie etwa Daniel Barenboim und Jacqueline Du Pre, sie hat das English Chamber Orchestra gegründet, nach ihrem Archäologiestudium eine Doktorarbeit über präkolumbianische Steine in Mexico geschrieben, den Kilimanjaro bestiegen und wurde von der Königin Elisabeth mit dem «Orden of the British Empire» ausgezeichnet. Und wie später Heinz Stalder anfügt, zeugen auch die persönlicheren und alltäglicheren Anekdoten von einer nicht minder ausgefallenen Originalität. So hat Ursula auch mal den Truck der Kehrichtabfuhr gelenkt, nachdem sie mit besagten Kehrichtmänner in ein anregendes Gespräch geraten ist über ihre Arbeit.

Nach doppelter Ansprache von Seiten der Festivalleitung und des NZZ Libro betritt Heinz Stadler das Podest. Etwas unglücklich geraten ist der Plan lumière im KKL: Das Foyer ist ausgeleuchtet von einem fahlen, milchigen Blaugrün; eines dieser kalten Lichter, die gekonnt die unvorteilhaftesten Stellen in Gesichtern betonen.

Mit «Sali Ursula» beginnt Stadler seine einführende Rede und vermag damit sogleich das giftgrüne Licht zu brechen. «1992, im Sommer, in London» erinnert er sich, sei er «Ursi» zum ersten Mal begegnet. Seither verbinde sie eine langjährige und innige Freundschaft, aus der nun auch dieses biografische Werk entstanden sei. Ursula Jones sitzt im Publikum in der vordersten Reihe. Während Stalder aus einem der Kapitel vorliest, ist es ein Genuss, zwischendurch einen Blick auf sie zu werfen. Beinah etwas beschämt ob der grossen Aufmerksamkeit und den schmeichelnden Worten blickt sie immer wieder zu Boden, mit einem Lachen im Gesicht, das nur so blüht vor Dankbarkeit und verlegenem Stolz.

Die Geschichten, erzählt mit viel Witz, einer sorgfältig gewählten Sprache und einem liebevollen Blick auf die Protagonistin wecken die Neugierde – selbst bei jenen, die auch nicht nur eines der tausend Leben der Ursula Jones kennen. Angetan von diesen heiteren Geschichten waren gestern auf alle Fälle viele; der Büchertisch wurde im Anschluss regelrecht leergefegt.

Interessant war der Kontrast zwischen dieser gehobenen, mondänen, aber auch etwas steifen Zusammenkunft und den unglaublich warmen, erfrischenden und amüsanten Kurzgeschichten aus Ursula Jones-Strebis Leben. Heinz Stalder hat nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Vorleser das Zeug zum Geschichtenerzähler. In angenehmen Ton und Tempo liest er eine Passage aus Ursulas Kindheit vor, in der sie als kleiner «trouble maker» beschrieben wird. Infolge ihrer aufgeweckten, redseligen und zappeligen Art sei sie nicht selten vor das Klassenzimmer gestellt worden. Nach solchen Rebellenakten durfte sie sich dann von ihrem Vater Wörter anhören, die «eher auf Misthaufen im Hinterland als in der Amtsstube in Luzern gewachsen sind».

Schon die Zeilen zu ihrer Kindheit erwecken augenblicklich eine Sympathie für ihre Person, deren Charakter wohl schon damals auf schöne Weise eigenwillig und voller Frohsinn gewesen sein muss. Zwischen den Zeilen hört man auch, wie sehr Heinz Stadler seine enge Freundin, mit der er gemeinsam zehn Jahre in einer Wohngemeinschaft lebte, wertschätzt und bewundert.

Etwas schade war, dass Ursula ausser einer Danksagung an Heinz nicht zu Wort gekommen ist. Da auf der Bühne zwei Wassergläser bereitstanden und also ihr Auftritt von Seiten der Organisatoren zumindest erhofft wurde, ist anzunehmen, dass all die schmeichelnden Lobworte Ursula zu sehr in Verlegenheit gebracht haben. Auch bei der Ehrung ihres so reichen und herzerfüllten Lebens hat sie sich nicht in den Mittelpunkt stellen wollen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden hat sie so oder so.

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