Von der Raupe zum Nachtfalter

PlattenWechsler: Into Orleans haben sich seit der letzten Platte «Caterpillar» von 2017 nicht (wie man hätte vermuten können) in einen farbig-folkigen Schmetterling verwandelt. Sie sind jetzt eher als schwarz-weisser Nachtfalter unterwegs.  

 

Weg vom leichten, akustischen Folk, hinein in eine dunkle und schwere Sphäre – so das Motto des dritten Albums «Crash & Clatter». Es soll krachen und rattern, poltern und prasseln oder vielleicht auch auf den Roman «Das Erwachen» anspielen. Im 1899 erschienenen Werk lässt Kate Chopin ihre Hauptfigur Vasen zerstören und sich nach ebendiesem Geräusch sehnen: «She wanted to destroy something. The crash and clatter were what she wanted to hear.» Vielleicht hatten die Worte «Crash & Clatter» aber auch einfach einen schönen Klang.

Früher solo, heute im Trio, spielt Sebastian Schwarz noch immer Gitarre, drückt Tasten und singt. Die Reihenfolge stimmt so, denn die Instrumente sind stärker. Vor allem die gesangslosen Abschnitte, wenn sich die Instrumente vermischen und aufbauen, dann, wenn Lukas Bircher Kontrabass, Geige oder Klavier und Fabio Erni Schlagzeug und Perkussion beisteuern, lassen offensichtlich werden, welche Vorteile die neue Formation bringt. Was das genau ändert? Alles, aber vor allem die Kraft der Schallwellen. Erfahrbar wird das beispielsweise bei «Giant Trees». Der Track erschien bereits auf dem Debütalbum «Sometimes This Is About Mirrors» (2016). Damals hiess er noch «All the Giant Trees» und die besungenen «milk and honey» flossen noch als schlängelndes Bächlein – in der neuen Version wurde aus dem Rinnsal dank Verstärkern und elektrischer Gitarre ein tobender (Über-)Fluss.

Die einzelnen Songs sind technisch schön und sphärisch ausgeklügelt und oftmals dann am stärksten, wenn die Worte fehlen. Denn die Fragmente der Geschichten, die in den einzelnen Songs erzählt werden, bleiben emotional distanziert. Und das lyrische Ich? Es wartet, es analysiert, es beschreibt, baut auf, es sehnt sich, es ist hungrig, es will wissen, es geht ihm gut – so zum Beispiel in «Amber » oder eben «Giant Trees». Es scheint aber auch zu töten oder stumm dem Sterben zuzusehen: «I’m the tragedy and I’m the question why – sometimes you’ll know all the names that I’ll go by» heisst es in «All The Names».

Und doch wirkt die Stimme oft berechnend, kühl und allwissend – als würde sie über der Sache stehen und in sicherer Distanz über der Gefühlswelt schweben. Das ist schade, sie wirkt dadurch unpersönlich und man vermisst Berührungspunkte. Die Stimmung der Klangwelt funktioniert, denn die Atmosphäre wird dank Effektgeräten greifbar, aber es fehlen ehrliche Protagonistinnen in den Geschichten, Protagonisten, mit denen man sich identifizieren kann. Vielleicht dann bei der nächsten Platte?

Into Orleans (Plattentaufe)
DO 5. März, 20 Uhr
Konzerthaus Schüür, Luzern