Die wenigen Leute, die sich bereits vor Konzertbeginn im Konzertlokal einfanden, wurden von DJ Still Phill mit Trap- und Hiphop-Beats in Stimmung gebracht. Der Luzerner DJ unterstützte auch am restlichen Abend die Konzert-Acts hinter den Turntables mit seinem versierten Können. Als weitere Einstimmung brachten dann die Luzerner LCone und EffE einige ihrer Gute-Laune-Party-Tracks. Ersterer hat im Jahr 2015 mit ALI das Album «Inoue» veröffentlicht, auf sein eigenes Album wartet man aber auch seit einiger Zeit. Mit sehr viel Witz versetzten die beiden die müde wirkenden Gäste langsam in Bewegung.
Als dann Ali mit nahtlosem Übergang in seinem Türkei-Shirt und mit Cap, weil die Frisur angeblich nicht sitzt, die Bühne betritt, ist das Publikum zwar nicht riesig, aber in guter Laune. Sein Erstling «Erol» ist ein sehr emotionales und persönliches Album für den Bündner Rapper. In den Texten verarbeitete er unter anderem den Tod seines Vaters Erol und weitere sehr private Themen wie Selbstzweifel, Herkunft, Freundeskreis und Herzschmerz. Was aber natürlich nicht fehlen durfte, sind die zahlreichen Referenzen zur Popkultur, vor allem aus dem Fantasy- und Anime-Bereich, für welche Ali bekannt ist. Diese wurden auch im Bühnenbild wiedergespiegelt. Entsprechend den ernsthaften Themen seines Debütalbums sprach Ali viel mit den Konzertgästen, erklärte einiges und zeigte sich dankbar für den Support seiner Fans und seiner Familie, die an diesem Abend dabei waren. Im Rap-Game ist eine solche Authentizität und Emotionalität selten zu finden, kam aber bei den Anwesenden scheinbar positiv an.
Weiter beeindruckend: Unterstützt wurde der Dragon Ball Fan Ali auf der Bühne von seinem langjährigen Freund Rocco, der bis vor Kurzen in Sachen Rap noch absolut grün hinter den Ohren war. Nichtsdestotrotz macht er eine gute Gattung neben dem Ausnahmetalent Ali. Auffallend war, dass sein beständiger 041-Featuring-Partner Mimiks durch Abwesenheit glänzte. Viele hatten erwartet, dass er als Support am Konzert teilhaben würde. Eventuell hätte er aber so Ali auch ein wenig das Rampenlicht gestohlen. Denn Ali stellte an diesem Freitagabend sein Rap-Talent problemlos ohne grosse Entourage unter Beweis und wirkte bodenständig. Er erwähnte, dass er seine Songs auch vor drei Leuten gespielt hätte und so zufrieden gewesen wäre. Dies unterstreicht die allgemeine Stimmung seines Albums: sein Ziel war es, Probleme zu verarbeiten und sich selbst treu zu bleiben und so die Erfolgsleiter hinaufzusteigen.
Mimiks hat vor rund drei Jahren mal in einem seiner Texte gemeint: «Wär de Ali ned so fuul, er wörd do alli zerrisse». Die Phase des hohlen Zerriss-Raps hat der Churer hinter sich gelassen, dafür einen grossen Schritt in Richtung ehrlichen Rap gemacht und so auf seine eigene Art die Szene zerrissen. In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob der Bündner seinen Platz im Schweizer Rap-Business zementieren kann. Der Grundstein ist auf jeden Fall schon gelegt.
