Virtuos und kurios

Markuskirche Luzern, 23.11.2019: Die Vierwaldstätter Konzerte waren geprägt von überzeugenden Auftritten im ersten und einer misslungenen Inszenierung im zweiten Teil. Das war für gewisse Zuschauer*innen zu viel.

Bilder: Philipp Schmidlin

Das Konzertprogramm der Vierwaldstätter Konzerte in der Markuskirche klang vielversprechend. Die Verantwortlichen liessen dabei ein Muster erkennen: Die Lebens- und Wirkungsspanne der Komponisten fiel mehrheitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vor der Pause waren vier musikalische Vorspeisen geplant, bevor ein Überraschungsmenü serviert werden sollte. Diese Versuchsanordnung lockte einige neugierige Zuhörer*innen an diesem Samstagabend in die «Englische Kirche», die vor über 100 Jahren von einem Briten erbaut wurde, um den Urlaubsgästen Luzerns den Kirchenbesuch zu ermöglichen.

Wilde Achterbahnfahrten

Petar Popović (fl) und Marina Vasilyeva (p) eröffneten das Konzert mit Frank Martins Ballade Nr. 1, die 1939 komponiert wurde und aufgrund der vielen virtuosen Spieltechniken, die das Werk beinhaltet, mittlerweile zum Standardrepertoire der modernen Flötenliteratur gehört. Die schlängelnden Melodien und wilden Läufe, die sich durch beide Instrumente ziehen, die schweren Töne im tiefen Flötenregister und ein sehr abruptes Ende machen Martins kompositorisches Können deutlich.

Arthur Honegger komponierte 17 Jahre zuvor eine Sonatine für Klarinette und Klavier, welche damals vom französischen Klarinettisten Louis Cahuzac und dem französischen Filmmusikkomponisten und Pianisten Jean Wiener uraufgeführt wurde. In diesem Werk scheint die Musik Honeggers weniger ernst zu sein als gewöhnlich. Die junge Klarinettistin Anastasia Schmidlin nahm gemeinsam mit Marina Vasilyeva das Werk in Angriff, das lyrische Melodien im ersten, spannende Harmonien im zweiten und eine wilde, fast klezmerartige Achterbahnfahrt im dritten Satz bietet. Ein schmunzelndes Publikum klatschte begeistert nach diesem kurzen, aber überzeugenden Auftritt.

Auch die Geigerin Lucie Kočí, die vor kurzem den Master in Solo Performance an der Hochschule Luzern – Musik abgeschlossen hat, lieferte einen einwandfreien und brillanten Auftritt, als sie zusammen mit Marina Vasilyeva Witold Lutoslawskis «Subito» performte.

Mentale Stärke ist gefordert

Ein krasses Gegenstück zu diesem hochvirtuosen Stück bot Olivier Messiaens «Louange à l’Éternité de Jésus» (zu Deuztsch: «Lob auf die Ewigkeit Jesu») für Violoncello und Klavier. Der amerikanische Cellist Eugene Lifschitz, der seit August als Solo-Cellist bei den Symphonikern Hamburg tätig ist, stellte sich mit diesem Stück einer enormen Herausforderung: Eine unendlich scheinende Phrase des Cellos stellt die Verherrlichung, Liebe und Ehrerbietung der ewig geltenden Worte Gottes dar. Dies zu meistern bedeutet, mentale Stärke zu zeigen. Lange Auf- und Abstriche, die keine Nervosität dulden und keine Nebengeräusche erlauben, die jedes Detail, jeden unregelmässigen Atemzug hörbar machen. Das Publikum belohnte Lifschitz für seinen Mut und sein Durchhaltevermögen mit einem motivierten Applaus.

Der Schluss fällt ab

Nach einer Verdauungspause wurde der Hauptgang serviert: Arnold Schönbergs «Pierrot Lunaire» op. 2. Grundlegend für das Verständnis der Melodramen ist das Verhältnis zwischen der Sprechstimme und den Instrumenten. Laut Schönberg handelt es sich um «absolute Musik», zu der die Texte lediglich rhythmisch und in bestimmten Tonhöhen rezitiert werden. Die Gliederung des Zyklus in dreimal sieben Gedichte von Albert Giraud ist inhaltlich motiviert. Der erste Teil stellt die Figuren vor, im zweiten Teil folgt eine finstere Beschreibung der Nacht und ihrer Schrecken und im dritten Teil werden die grotesken Spässe Perrots und seine Heimreise nach Bergamo geschildert.

Konstantin Lifschitz, Klavierdozent an der Hochschule Luzern – Musik, bot einen kuriosen Auftritt, als er maskiert und in einen Kimono gehüllt durch die dunkle Kirche schlich und auf einmal zu sprechen begann. Etwas undeutlich und leise waren die Worte. Als der musikalische Teil begann, fuhren die fünf Musizierenden alle Geschütze auf. Wenn man sich nur auf die Musik konzentrierte, gab es unheimlich spannende kompositorische Mittel zu entdecken, die sehr überzeugend interpretiert wurden. Leider enttäuschte der eher weniger gut verständliche Sprechgesang von Lifschitz, da dieser stark von der Musik ablenkte, statt sich gekonnt in den Begleitteppich zu integrieren. Die Pausen zwischen den Teilen irritierten offensichtlich das Publikum, so dass es sich während des Auftritts tröpfchenweise verabschiedete. Dabei hat Lifschitz sich spürbar mit seinem Part auseinandergesetzt und entsprechend seinen Fähigkeiten vorbereitet. Mit einer professionellen Besetzung des Sprechgesangs wäre die allmähliche Auflösung der Zuhörerschaft jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit zu verhindern gewesen.