Verhängnisvoller Profit

«Medien in der Zentralschweiz» war der thematische Schwerpunkt der gestrigen Podiumsdiskussion im «Der Raum». Organisiert wurde die Veranstaltung vom Verein «La résistance de la raison». Die Diskussion beschränkte sich in weiten Teilen auf die Wiedergabe der Symptome der sich verändernden Medienlandschaft. Mögliche Ursachen für zunehmende Monopolstellungen und die abnehmende Vielfalt in der Medienlandschaft wurden selten genannt.

Auf dem Podium waren Jérôme Martinu, Redaktionsleiter «Regionale Ressorts» der «Neuen Luzerner Zeitung» (NLZ), David Roth, Grosstadtrat und Präsident der JUSO Schweiz, Rolf Wespe, Studienleiter am Medienausbildungszentrum (MAZ), und Jonas Wydler, Redaktionsleiter des Kulturmagazins. Moderiert wurde der Abend von Benedikt Koller, Mitglied des Vereins «La résistance de la raison». Wer steht hinter dem vollmundigen Vereinsnamen? «La résistance de la raison» – kurz RdR – ist eine Gruppe junger Männer. Sie alle verbindet, dass sie aus Luzern und Umgebung stammen und heute in der ganzen Schweiz verstreut, die unterschiedlichsten Disziplinen studieren. Ziel von RdR ist es, am Diskurs über kulturelle und politische Themen zu partizipieren und so Missstände zu verdeutlichen. Politisch stehen sie links – einige Mitglieder wirken auch bei den Jungsozialisten mit. Martinu hatte in dieser Runde einen schweren Stand. Er konnte einem leid tun. Kam er doch gleich von Beginn weg von allen Seiten unter Beschuss: Wespe meinte, die NLZ sei eine gut gemachte Zeitung – was das Layout anbelangt. Und Roth doppelte nach, die NLZ sei eine unsorgfältig gemachte Zeitung mit rechtsnationalem Einschlag, die den Leuten unkritisch nach dem Maul schreibe. Wydler monierte, dass die NLZ keine ernstzunehmende Berichterstattung über Kultur betreibe. Martinu wehrte sich mit Kräften gegen die Anschuldigungen. Auf den Vorwurf, die NLZ publiziere keine aufwendig gemachten Recherchen, konterte er, dass die Zeitung beispielsweise beim Rontalzubringer früh auf Missstände hingewiesen habe. Er konnte aber nicht leugnen, dass oft die Mittel und die Zeit fehlten, länger angelegte Recherchen anzustellen. Und dass sich die NLZ in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld bewege. Hier hätte man nachhaken können: Wieso werden heute Zeitungen wie Unternehmungen, die Zahnpasta herstellen, geführt? Wieso ist erstmals in der über 220-jährigen Geschichte der «Neuen Zürcher Zeitung» die publizistische Leitung mit der betriebswirtschaftlichen vermengt worden? In was für einer Zeit leben wir eigentlich? Der gestrige Abend macht keine Hoffnung: So lange Politik und Wirtschaft von den heutigen vorherrschenden Medienmechanismen profitieren, kann mit keiner Veränderung gerechnet werden. Trivialisierung und Personalisierung werden weiterhin zunehmen. Man muss zweimal hinhören, wenn Medienexperten wie Wespe sagen, dass Gratispostillen als grosse Alphabetisierungskampagne zu verstehen seien. Dieser Aspekt ist nicht zu vernachlässigen. Aber es ist naiv zu denken, dass keine Schäden entstehen, wenn ganze Generationen mit der Illusion sozialisiert werden, «Zeitungen» seien gratis, apolitisch und liessen sich in 20 Minuten lesen. Ist es nicht so, dass sich die Themenwahl ändert - hin zu mehr Emotionen und Sternchen-Berichterstattung? Man muss dazu nur die öffentlich-rechtlichen Medienerzeugnisse beiziehen, um zu merken, dass im Grossen und Ganzen das Niveau sinkt. «Konvergenz» heisst im Klartext, dass DRS 2 auf «box office»-Höhe gestutzt wird. Wenn Wydler sagt, dass es immer Platz für Qualitätsjournalismus geben werde, trifft dies natürlich zu. Aber die Gesellschaft besteht nicht nur aus einer «Elite»: Es ist «die Masse», die zählt, und wenn die für dumm verkauft wird, dann rächt sich das mit Bestimmtheit. Es darf und muss den Leuten etwas zugemutet werden!