Und jetzt das Alkoholverbot ... – Eine Tirade

Die Verbotitis grassiert, und auch wenn man genau nicht der SVP angehört, kommt man nicht umhin, sich immer unwohler zu fühlen im zunehmend reglementierten Luzern, dessen in den Achtzigern und Neunzigern mühsam ergatterte Urbanität im Sauseschritt reussab geschickt wird. Pirelli enerviert sich einmal mehr – Auszug aus dem aktuellen Kulturmagazin, Oktober 2010.

Ach, in was für Zeiten wir doch leben … Unlängst haben wir an dieser Stelle über das Rauchverbot gewettert – und sehen nun, wie sich die Prognosen eine nach der anderen bewahrheiten: leere Tanzflächen bei Discos, weil die Leute vor der Tür stehen, bedrohte Beizen und Clubs, selbstverständlich fehlender Nichtrauchernachzug, allgemeine Ungemütlichkeit; während, o gesundheitsapostolische Logik, das Ozon weit über den Grenzwert steigt, kaum blinzelt die Sonne vom Himmel, ein Obligatorium für Feinstaubfilter und NOx-Kat in ebenso weiter Ferne liegt wie das Verbot der Zweitaktstinker und kein einziger der Autodioten noch den Mindestanstand hat, an der Ampel den Motor abzustellen.

Die Lungenliga schreibt kryptisch «Luft kuriert» auf Velokurierrucksäcke, was zwar niemand versteht, aber, hei!, es ist ein lustiges Wortspiel, und das BAG nimmt achselzuckend 40 000 neue Atemwegschroniker pro Jahr hin und vermeldet alarmisierend, dass die Demenz, ein quasi reines Nichtraucherphänomen, die Gesundheitskosten zum Explodieren bringt. Das Rauchverbot markiert allerdings nur einen bisherigen Höhepunkt gesetzgeberischer Begehrlichkeiten, von denen es grad so viele gibt:

Man beschliesst in der gleichen Vorlage, dass man wohl keine Nastüechli auf den Boden, Menschen aber locker wegschmeissen, äh, -weisen kann; auf der Ufschötti gibt es etwas defekten Rasen, also will man uns den einzigen Ort nehmen, wo man sich auf Stadtgebiet noch einen Cervelat am See bräteln kann; und bald werden auch Kürzestvelofahrten nur noch mit einem dieser so hässlichen wie unnützen Plastikdinger auf dem Kopf legal zu vollziehen sein. Die entsprechende Plakatkampagne zeitigt übrigens erste Erfolge: Bereits fahren wesentlich weniger Kinder Velo,weil ihre Eltern auf die Panikmache reinfallen und sie wieder in die Schule chauffieren, ganz im Sinne der Erfinder.

Und jetzt also das Alkoholverbot: Wir sollen wegen einiger blauer Jugendlicher alle nicht mehr draussen trinken dürfen. Nun ist das natürlich neben der problemlosen Wegweisung und der zunehmenden Zweckbestimmtheit des öffentlichen Raums ein weiterer Angriff auf jugendliche Hornabstossereien, es soll alle zum teuren Bier in die Lokale zwingen und Luzern vollends zum klinischen Disneyland für russische Neureiche in rosa Nerzmänteln machen. Aber man sollte es als Chance sehen: Endlich kein Kater mehr nach der Fasnacht, weil da alle draussen trinken wollen und deshalb nur noch Sirup ausgeschenkt werden darf! Endlich kein Luzerner Fest für Aggloranten mehr, weil es sich nur über den Bierkonsum finanzieren liesse! Und endlich eine sinnvolle Aufgabe für die SIP: Sie kann jetzt all die Smokings und Pelzstolen vom Europaplatz wegweisen, die sich dort vor dem «Boléro» (sic! Sie bringen ihn immer noch!) mit dem Cüpli in der Hand unter der nouvelschen Hässlichkeit sammeln und ihre Unkultur lauthals proklamieren. Schöne neue Welt!